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258 ff



Und reiner, sanfter klingt ihr Lobgetön,

Als was sich oftmals drängt zu Himmelshöhn

Aus Menschenmunde.

Ach, nicht in Dankbarkeit, nicht in Vertrau'n,

Will Dir Dein arm Geschöpf ins Auge schaun,

In Trotz und Grämen.

Mit sünd'gem Stolze möcht es seine Lust —

Kaum sänftigt Deine Liebe eine Brust —

Von Gräbern nehmen.

Doch führe, Gott, zur Milde mich hinan.

Wie, wenn vor allen, die Dein Blut gewann,

Ich unwert wäre?

Laß mich an Bruderliebe nichts versehn,

Kein Richter andrer sein, doch eifernd stehn

Um Deine Ehre.

§ 178. Diese schon oben erwähnten Verse (§ 51)
und ein Sonett, meine letzten ernstgemeinten poeti-
schen Versuche, haben ihrem Inhalte nach etwas
Feierliches und spiegeln mit mehr Kühnheit und Ein-
falt, als ich sie heut meinen Lesern gegenüber auf-
bringen könnte, die Grundstimmung wieder, in der
ich die beste Arbeit meines Lebens begann. Meine
Mutter nahm von Anfang an Anstoß an den Worten
„blut'ger Schein"; sie seien peinlich und nicht wahr-
heitsgemäß von der Rosenfarbe des Schnees bei
Sonnenuntergang anzuwenden. Für mich aber hatten
sie ihre eigene Bedeutung. Die nur allzu abgebrauchte
evangelikale Wendung „helle gemacht in dem Blute
des Lammes" müsse, so schien es mir, wenn sie
überhaupt eine Wahrheit habe, für die Erde und ihren
reinsten Schnee gelten können, wie für ihre reinsten
Kreaturen, und der Anspruch, den ich erhob — war
 
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