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Materialien zur Quellenkunde der Kunst«rescliielite.

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angelo der merkwürdige Ausdruck: il terribile, der letzten
Endes wohl aus der Kunstsprache der alten Rhetorik (8«v6;)
stammen mag; als Eigenschaft des großen Meislers selbst
statuiert es schon Dolce im Gegensatz zu Raß'aels ,Grazie".
Es ist das Widersniel von Anmut und Erhabenheit, wie das
18. Jahrhundert sagen würde, das Gewaltige, den Beschauer
last vernichtende, das den Zeitgenossen dieses souveränsten
aller Genies wohl mit einem dem Schrecken verwandten Ge-
fühl erfüllen mußte, wie es den Späteren bis in unsere Zeit
hinein gelegentlich Abneigung, ja Widerwillen einflößte. Es
hängt nicht unmittelbar mit dem Bestreben ins räumlich
Kolossale zusammen, aber dieses unterstützt seinen Eindruck.
Die Stilwendung vom Straßen, Magern und Feingegliederten
zum Weiten und Bauschigen, wie es Aretinos feiner Sinn
(in seinem berühmten Brief an Poeopanno) bereits in dem
Umschwung der Kleidertracht vom Quattrocento zum Zeit-
alter Leos X. erkannt hatte, gehört auch in dieses Kapitel;
es ist ebenso charakteristisch, wie gegen Ende des Jahrhun-
derts gerade in der Manieristenzeit jener Falten- und Stoff-
übersehwang wieder einer Stilisierung ins Straße, eng An-
liegende, sozusagen ,Verkröpfte' weicht, das nicht ohne innere
Beziehung zu jener ,Forma serpentinata' ist.

6. Die Lehre von den Genres und Stilgesetzen.

Sie erscheint jetzt vollständig ausgebildet; Gilio und
Boighini scheiden scharf zwischen dein pittore istorico und
jjoetico und Armenini verkündet aufs neue, wie einst schon
der vorschauende Alberti. die Historie als die würdigste
Aufgabe des Malers. Gerade aus dieser Zeit datiert die bis
in eine Halbvergangenheit reichende bevorzugte Stellung des
Historienmalers an unseren Kunstakademien. Die gleiche
.Würde' wird aber auch vom Bildnis gefordert; selbst ein
Aretino vertritt in einem Briefe an Leone Leoni die Ansicht,
es seien nur berühmte Leute zu porträtieren, etwas das
z. B. die stets ,ol'ßzielie' italienische Medaille so scharf von
der intimen deutschen ,Privatmedaille' scheidet. Damit ver-
bindet sieh auch (eben wieder bei Armenini) die merkwürdige
Stellung der Theorie zum Porträt: dieses gilt ja bis in sehr
 
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