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4. Das Bildnis Friedrichs des Großen
Zur Porträtauffassung und zur Problematik der
Porträtähnlichkeit
Wer kennt ihn nicht? / Die hohe Miene spricht / den Denkenden. Der
Denkende allein / kann Philosoph, kann Held, kann beydes sein.
Gotthold Ephraim Lessing
Die Gruppe der Porträts Friedrichs des Großen (Kat.-Nr. 172— 172o) nimmt in-
nerhalb des Werkes von Johann Georg Ziesenis eine besondere Stellung ein. Sie fand
seitens der Forschung die meiste Beachtung, jedoch weniger aufgrund ihrer künstleri-
schen Qualität als vielmehr aus Interesse an ihren besonderen Entstehungsumständen
und der Person des Dargestellten. „Peint par Mr. Ziesenis c’est l’unique pour qui le
Roi s’est assis pour se faire peindre.“ Mit diesen Zeilen untertitelte Egidius Verhelst
1770 seinen Nachstich des von Ziesenis geschaffenen Porträts Friedrichs des Großen
(Abb. 6). Der hierin erhobene Anspruch, daß Ziesenis der einzige Künstler gewesen
sei, dem Friedrich II. als König für ein Porträt gesessen habe, entzündete Anfang
unseres Jahrhunderts eine Forschungskontroverse, deren Mittelpunkt die Diskussion
um die Authentizität der Sitzung und des dabei entstandenen Gemäldes war. Die
Bewertung, die das mutmaßliche Originalporträt sowie die nach ihm entstandenen
Repliken dabei erfuhren, war vorwiegend negativ. Man warf dem Künstler vor,
als Porträtist versagt zu haben und der Persönlichkeit des preußischen Königs nicht
gerecht geworden zu sein.1 2 Neben Hildebrand, der in den vierziger Jahren eine
1 Sinngedicht: Unter das Bildniß des Königs von Preußen. Zitiert nach G. E. Lessing, Sämtli-
che Werke, hrsg. von Karl Lachmann und Franz Munckcr, 16 Bde., 1886-1924; Reprint Bcr-
Ün/NcwYork 1979, Bd. 1, S. 43.
2 Eine erste Bewertung des Porträts traf Paul Seidel (1897, S. 110) in seinem Aufsatz über die Fricd-
richbildnissc anhand der Heidelberger Fassung (Kat.-Nr. 172a): „Das Bild befremdet auf den ersten
Blick durch den sowohl in der Form als in der Farbe aus der Phantasie gemalten Rock, der Kopf kann
aber bei einer Aufzählung bemerkenswerter Bildnisse des Königs nicht übergangen werden, wenn er auch
nichts überzeugendes an sich hat.“ Ähnlich negativ argumentierte Jean Lulves (1913, S. 8), der die
Diskussion um das Porträt ausgelöst hatte, obwohl er vehement für die Authentizität der Sitzung
sowie der von ihm als Original angesehenen Skizze eintrat: „Seinem Geiste blieb es versagt, den Kern
der Persönlichkeit des Großen Königs zu erfassen und gewissermaßen im Brennspiegel wiederzugeben. “
 
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