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https://doi.org/10.11588/diglit.29908#0033
ERSTBS KAPITEL
Die Grundlagen des spanischen Barock
Im Hinblick auf vergangene Größe und Pracht nicht
bewußt heimisch eigenartig schufen Michelangelo
uncl Palladio, die beiden Leuchtsterne italienischer
Baukunst im Zeitalter des Humanismus. Über die
Grenzen ibres von Streitigkeiten zerrissenen Vaterlandes hinaus galt ihr Ringen
einer höheren ideellen Welt, einem Gemeingute der Menschheit: und aus ihren
Werken schöpfte die ganze Welt Kraft und Anregung. Lebendig kraftvoller
verkündete sich das Nationalbewußtsein im Weltreiche Spanien. Der Existenz-
kampf zweier Rassen hemmte hier die Geister, sich willenlos dem Traume von '
einer Wiedergeburt antiker Kunst hinzugeben. Den Äußerungen dieses durch
die Not des Augenblickes bedingten Nationalstolzes brachte die Welt wohl Be-
wunderung und Grauen, nicht aber volles Verständnis entgegen, so daß sie nie
Gemeingut aller Völker werden konnten. Herrera — Cliurriguera sind die Mark-
steine spanisch-nationaler Baukunst; denn die oft als schönste Blüte spanischen
Geistes gepriesene Platereske wurzelte im Auslande. Vorbedingung nationaler
Kultur, nationaler Kunst ist die Einigung eines Stammes zu verwandter An-
schauung und Lebensführung. Der Besitz des gesegneten Landes südlich der
Pyrenäen war seit Jahrtausenden das begehrenswerte Ziel aller Kriegsgewaltigen
gewesen. So hatte ein Volk nach dem anderen hier Spuren seines Daseins hinter-
lassen. In grauer Vorzeit brachte ein phönikischer König — der Herkules des
griechischen Mythos — mit sieggewohnten Heeren die Kultur seines Weltreiches.
Den Ruhrn des mächtigen Eroherers verkündeten die Säulen des Herkules, his
sie durch das Eindringen der Mauren zum Felsen des Tarik (Gibraltar) wurden.
Die Ansiedelungen der Griechen waren wohl- nur unbedeutend. Ihre Kultur faßte
erst mit der römischen Herrschaft festen Fuß. Ivarthagos Untergang iiesiegelte
auch das Schicksal der pyrenäischen Halbinsel. Die römischen Kohorten drangen
immer tiefer in das Innere ein. immer vollkommener wurde Spanien durch die
ständigen römischen Legionen und die Ansiedelung alter Soldaten romanisiert.
Die Fruchtbarkeit des Bodens und das giinstige Klima, der blühende Llandel
und Gewerbe machten es zur reichsten und wichtigsten Provinz des ganzen
Reiches. Gadix war die einzige Stadt der Welt, die in bezug auf Größe und
Reichtum mit Rom konkurrieren konnte. Seine Biirger besaßen das römische
Biirgerrecht. In Italica (bei Sevilla) erblickten zwei römische Kaiser das Licht
der Welt. Als in den Stürmen der Völkerwanderung der stolze Bau des römischen
Schubert, Barock in Spanien 1
1. Das Werden der Nation
— bis zu ihrer Einigung —
durch König und Kirche
Die Grundlagen des spanischen Barock
Im Hinblick auf vergangene Größe und Pracht nicht
bewußt heimisch eigenartig schufen Michelangelo
uncl Palladio, die beiden Leuchtsterne italienischer
Baukunst im Zeitalter des Humanismus. Über die
Grenzen ibres von Streitigkeiten zerrissenen Vaterlandes hinaus galt ihr Ringen
einer höheren ideellen Welt, einem Gemeingute der Menschheit: und aus ihren
Werken schöpfte die ganze Welt Kraft und Anregung. Lebendig kraftvoller
verkündete sich das Nationalbewußtsein im Weltreiche Spanien. Der Existenz-
kampf zweier Rassen hemmte hier die Geister, sich willenlos dem Traume von '
einer Wiedergeburt antiker Kunst hinzugeben. Den Äußerungen dieses durch
die Not des Augenblickes bedingten Nationalstolzes brachte die Welt wohl Be-
wunderung und Grauen, nicht aber volles Verständnis entgegen, so daß sie nie
Gemeingut aller Völker werden konnten. Herrera — Cliurriguera sind die Mark-
steine spanisch-nationaler Baukunst; denn die oft als schönste Blüte spanischen
Geistes gepriesene Platereske wurzelte im Auslande. Vorbedingung nationaler
Kultur, nationaler Kunst ist die Einigung eines Stammes zu verwandter An-
schauung und Lebensführung. Der Besitz des gesegneten Landes südlich der
Pyrenäen war seit Jahrtausenden das begehrenswerte Ziel aller Kriegsgewaltigen
gewesen. So hatte ein Volk nach dem anderen hier Spuren seines Daseins hinter-
lassen. In grauer Vorzeit brachte ein phönikischer König — der Herkules des
griechischen Mythos — mit sieggewohnten Heeren die Kultur seines Weltreiches.
Den Ruhrn des mächtigen Eroherers verkündeten die Säulen des Herkules, his
sie durch das Eindringen der Mauren zum Felsen des Tarik (Gibraltar) wurden.
Die Ansiedelungen der Griechen waren wohl- nur unbedeutend. Ihre Kultur faßte
erst mit der römischen Herrschaft festen Fuß. Ivarthagos Untergang iiesiegelte
auch das Schicksal der pyrenäischen Halbinsel. Die römischen Kohorten drangen
immer tiefer in das Innere ein. immer vollkommener wurde Spanien durch die
ständigen römischen Legionen und die Ansiedelung alter Soldaten romanisiert.
Die Fruchtbarkeit des Bodens und das giinstige Klima, der blühende Llandel
und Gewerbe machten es zur reichsten und wichtigsten Provinz des ganzen
Reiches. Gadix war die einzige Stadt der Welt, die in bezug auf Größe und
Reichtum mit Rom konkurrieren konnte. Seine Biirger besaßen das römische
Biirgerrecht. In Italica (bei Sevilla) erblickten zwei römische Kaiser das Licht
der Welt. Als in den Stürmen der Völkerwanderung der stolze Bau des römischen
Schubert, Barock in Spanien 1
1. Das Werden der Nation
— bis zu ihrer Einigung —
durch König und Kirche