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Jneinanderwebcn realiftifcben und hos-
mifcb - fymbolifcbcn f)umors ein Gipfel
Krögerfcber Kunft, To etwas wie die Zu-
rüchfübrung der Cragtk und der Grlöfung
des verTtummten und des verkannten
KünTtlers auf die allereinfacbftcn Verbält-
niffe und damit auf die Grundlinien ihres
Kiefens ift. Diefe Doppelnovelle ift viel-
leicht der augenfälligfte Beweis dafür, wie
die unverbrüchliche Cebenstreue, die un-
übertreffliche IQirkltcbkeitsfcbilderung, die
den „Heimatdichter" im üblichen Sinne
macht, nur die eine Seite der Krögerfcben
Kunft darTtellt, während für feine 6igen-
art und für feinen Dicbterrang mindeftens
ebenfo bedeutfam die andere Seite ift: die
im Rahmen dicfer lüirhlicbhettskunft ohne
jegliche Vergewaltigung der meift bäuer-
lichen Geftalten gebotene Jdeendichtung
von allgemeingültiger Uleite und €iefe.

Das Gmporwachfen des Dichters vom
lyrifchen Stimmungsbild ?ur pTycbologi-
fcben CbaraktergeTtaltung und dramatifcbcn
ScbickTalsnovelle vollzieht Ticb ganj unab-
hängig vom timfang feiner Dichtungen. Jn
unterer Zeit, die dem Roman eine völlig
unberechtigte Torjugsftellung in der 6unft
der CeTer einräumt, ift es kaum überflüffig,
mit allem Dacbdruck ju betonen, daß die
Dovelle, fofern Tic diefen Damen wirklich
verdient, als Runftwerk an fich über dem
Roman ftebt, weil Tic die gefcbloffenere,
reinere form ift. Die Gabe, auf knappem
Raum mit wenigen woblabgcwogenen
Strichen alles ?u Tagen, was $u bringen
für den vorgenommenen Zweck nötig iTt,
beweiTt kaum ein anderer Dichter in To
fouveräner flßeifterfebaft wie Cimm
Kröger. So gehören denn manche feiner
hürjeften Dovellen \\x feinen bedeutendTtcn
Schöpfungen; „Sturm und Stille" etwa
oder „Und erlöfe uns!" vereinigen auf
ihren wenigen Seiten alle Vorzüge feiner
Kunft, enthalten in gedrängter GeTcbloTTen-
beit, die doch nirgends $ur fkijjenbaften
Unklarheit führt, mit das Befte und
CiefTte, was er überhaupt ju bieten bat.
Sie find ungemein anfebauliebe JlluTtra-
tionen für den Husfprucb "Cbcodor Storms,
der die echte Dovelle die ZwÜlings-
febwefter des Dramas nennt, find damit
zugleich Tcblagende BeweiTe dafür, daß
Cimm Krögers „I)cimathunTt" nichts
weniger als gemächlicher töirklicbkeitsab-
klatfch, vielmehr böcbft komprimierte,
ftilifierte Dichtung, Grfaffung des KJeTens-
kerns, der immanenten ttlabrbeit des je-
weiligen CebensausTcbnittes ift, worunter
aber die äußerliche Cebenstreue niemals
auch nur im geringTten leidet. Während

"Cirnm Kröger Ticb To als unübertrefflicher
ffleifter der KurjgeTcbicbte, der ffiiniatur-
novelle erweiTt, beberrTcbt er doch ebenTo
Heber die form der großen Dovelle, der
bald behaglich breit ausgeTponnenen, bald
in dramatiTcher Spannung Ticb Tcbier über-
Ttürjenden 6rjäblung. Den Höhepunkt auf
diefem Gebiet bildet die Dorfnovelle „dm
den töegjoll", die ein an Ticb uraltes fllottv,
den verbeerenden Husbrucb bäuerlicher
Rechthaberei und blindwütiger Terrannt-
beit, in durchaus eigenartiger öleiTe be-
bandelt und dabei nicht nur eine Reibe
prachtvoller Bauerntypen äußerlich un-
gemein plaTtiTcb verkörpert, fondern zu-
gleich auch in letjte, balbmyftifcbe Seelen-
tiefen hinableucbtet. Fjält man neben diefe
tiefernfte, doch nicht düftere Dovelle eine
jur I)auptTacbe heitere GeTcbicbte, wie „Du
TollTt nicht begehren!", die trot? der bumor-
befebwingten leichten Ctnientübrung der
TeeliTcben triefe nicht entbehrt, fo ergibt
Ticb einwandfrei, daß t^imm Kröger nicht
nur ein Stimmungsmaler und Seelen-
künder erften Ranges, fondern auch ein ge-
borener Srjäbler und feffelnder Unter-
halter ift, dem ju laufeben auch jenen CeTern
hoben Genuß bereitet, die feiner Dovellen
letjtc Reinheiten nicht voll ju würdigen
willen, weil Tie gewohnt Tind, Ticb baupt-
Tächlicb an das Stoffliche einer Gefcbichte
ju halten.

Zu diefen befonderen Reinheiten der
DarTtcllung gehört vor allem X3imm
Krögers eigenartiger I)umor. „I)umor ift
funkenfprueb, erfordert daher eine Huf-
fangvorriebtung, die feinen Scbwingungs-
feinbeiten angepaßt ift", Tagt der Dichter
TelbTt in einer dem dritten Band der
neuen 6eTamtausgabe Teiner Dovellen bei-
gegebenen I^andTcnrift. fflit dem berufs-
mäßigen Spaßmacbertum, diefem eklen
Surrogat des witzelnden Verftandes, bat
Cimm Krögers aus tiefftem I^erjen
quellender, aus allumfaffender Ciebe ge-
borener, wahrhaft deutfeber I^umor
fcblecbterdings nichts ?u tun, und diefer
Teiner I)erkunft entfpriebt feine Heuße-
rungsform. 6r macht's wie fein I)ans-
Obm in der Dovelle „Der Pfahl", als der
feine letzte Gefcbichte erjäblt: „Ganj leife
fchüttelte er die Scbellenglöcklein feines
I)umors"; und wie dem um fein Künftler-
tum beforgten Sterbenden, der ein an-
erkennendes Cacben erwartet, der Doktor
beruhigend antwortet: „Ctlir lachen nur
nicht laut, I)ans-Obm; aber in uns hin-
ein, da lachen wir", fo geht's auch dem
verftehenden Genießer der Krögerfcben
Dovellen; ja wie jener fügt auch diefer in
 
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