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■=csi 36 :«-

vom individuell-bürgerlichen ?utn gemein-
fam völkifcb-ftaatlicben empfinden vor-
nehmlich entwickelt wird, und feinen un-
ternebmungsluftigen freund Staubwaffer,
den echten Cütjower, ftellt I)avemann
nicht minder lebensvoll fo weltenweit
verfebiedene Gcftalten wie den tollen Cis-
kow, den halb verlotterten genialen Stu-
denten aus altadligem Gefcblecbt, und
den unvermeidlichen Scbncidermetfter
Caupin, eine fatirifcb - humoriftifebe
6lan?leiTtung allererften Ranges, die mit
barockem Sarhasmus wie in einem Sym-
bol die nicht umzubringende Unverfroren-
heit, Befferwifferei, Scbwatzbafttgkeit,
Rückficbtslofigkcit, Dummdreiftigheit und
Selbftfucht mit prachtvoller deberlegen-
beit zeichnet. Zwifcbcn diefe febier un-
überfebbare Reihe männlicher "Cvpen und
Cbarakterköpfe, unter denen mit wenigen
genialen Strichen auch die führenden Män-
ner wie Dapolcon und Blücher febarf um-
riffen und dadurch inmitten bezeichnen-
der Situationen unvergeßlich eingeprägt
werden, fchiebt fieb dann eine faft ebenfo
ftattlicbc Reibe deutfeber fraucngeftalten,
die anfeuernd und aufmunternd, läuternd
und leidend den großen Kampf ihres Vol-
kes mitkämpfen. CClic denn überhaupt
alle Mittel reifer KunTt auf das eine Ziel
verwandt werden, nicht einzelne unter den
f reibeitshämpfern herauszuheben, fon-
dern die Gefamthcit des um feine Zukunft
ringenden Volkes in ftändig wechfelnden
und doch ftets finnvoll verbundenen Bil-
dern zu vergegenwärtigen — ein gewal-
tiges Gemälde, in das alles 6roße und
Starke, aber auch das Kleinliche und er-
bärmliche, das jene Zeit vor hundert fah-
ren fo reichlich ?u "Cage förderte wie die
unfrige, mit unerbittlicher Ulirklicbkeits-
treue verwoben ift, und das uns beute im

neuen deutfeben Dafeinskampf fo unmit-
telbar packt, als bandle es Heb bei dem,
was der Roman $u neuem Ceben erweckt,
um die Sorgen und Döte, die Sebnfücbtc
und Hoffnungen untrer 'Cage. Cdie eine
Mahnung an ermattende unter uns klin-
gen ölortc wie diefe: „Begeifterung
ftammt aus dem Hugenblick, feiner Stim-
mung, feinem Vergänglichen. Der Krieg
ift nur Mittel jum Zweck — wie fonft das
langfamere oder doch unauffälligere und
verborgenere Scbickfal ds einzelnen auch.
Hbcr man begeiftert fieb nicht für Mittel
und löeg, fondern für das Ziel, ölir
müffen tun, was wir in erleuchteter Stunde
für recht erkannten. Das ift Gebot der
Pflicht. So ift's überall." dnd auch wir
geloben, nach diefem „Krieg derer, die
noch Jdealc haben, gegen die, die nur durch
ihren Göthen entflammt find", den darauf
beftimmt folgenden, vielleicht noch febwe-
reren Kampf um das innere Deutfcbtum
mit gleicher 6ntfcbloffenbeit und Zielbe-
wußtbeit durchzuführen, wie Tie in "Julius
Havemanns unvergänglichem Roman aus
dem Zwicgefpräcb jwifeben dem Vater und
feinem heimkehrenden Sohn hervor-
leuchten:

„Du halt noch nicht ausgekämpft.
Denn wir find nicht reich und doch
Jdealiften — oder eben darum — und die,
welche nur ihren Eutzen wahrnehmen, die
vielen, fie werden überall gegen dich
ftehen. Dann beißt es vielleicht hungern,
bluten — lieber aber bei der Stange blei-
ben. I)örft du, fran?? tlnd das Ceben
d o cb leben. Du halt ja deine I) e i m a t
i m I> e r z e n." — „Die bab ich!" erwiderte
der Sohn dankbar, des Hlten F)and faffend.
„Jbren Geift möchte ich den vielen brin-
gen. Das ift meine Hufgabe."
 
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