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ERLÄUTERUNG DER TAFELN

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FORMEN FÜR TOTENBEIGABEN.

Unter denjenigen Stuckgeräten, welche man nicht auf unseren Tafeln findet, spielt die Abb. 119
wiedergegebene Form eine besondere Rolle. Grösse 5 cm im Quadrat; Dicke 1,5 cm. Auf ihr sieht man
das Oberteil eines Mannes, das aus einem mit Netzmuster verzierten Kasten aufragt. Er ist ganz von
vorn gesehen und von abschreckender Hässlichkeit. Unterhalb der nackten Brust treten die Rippen
stark hervor. Der Kopf ist unförmig, die Augen sind rund. Er trägt einen langen eigenartig geformten
Bart und auf dem Kopf einen Schmuck, welcher an die Knospen des Harpokrates erinnert. Die Arme
sind gleichmässig erhoben. Die rechte Hand, deren Gelenk mit Ringen verziert ist, hält das Sistrum, die
andere ein rundes Fläschchen mit dünnem Hals. Ein ebensolches, doch kurz-
halsiges, Gefäss ist auf der Rückseite sehr tief eingeschnitten und darüber eine
linsenförmige Vertiefung. Die eine Schmalseite weist, ebenfalls vertieft, das übel-
abwehrende Auge, die andere eine stehende Zwergenfigur mit hohem Kopfputz
auf. Ob sie Bes oder Besin ist, lässt die Erhaltung nicht erkennen.
Ausserdem bewahrt die SiEGLiN-Sammlung zwei
moderne Ausgüsse aus fast ganz entsprechenden, doch
nicht denselben, Formen. Der Mann ist auf ihnen aus-
gepresst, und rings um das Bild findet man die typischen
Löcher, welche beweisen, dass das Relief aus einer Halb-
form gepresst wurde. Der eine Abguss ist von einem
vollständigen Formstück, der andere von einem Fragment
genommen. Wo die Formen zu diesen Ausgüssen sind,
konnte ich nicht ermitteln.
Die Hässlichkeit des Mannes ist ganz offenbar
Unfähigkeit des Verfertigers. Seine Magerkeit entsteht
aus dem Bestreben nach Naturalismus und hat wohl keine
besondere Bedeutung. Der Kopfschmuck erinnert an den
des alten Harueris. Das Sistrum gibt Beziehung auf den
Isis- oder den Totenkult, während das Salbfläschchen
keine Deutung ermöglicht.
Die Haltung der Arme findet ihre Parallelen in
den zahlreichen Tonfiguren, welche nackte oder bekleidete
Frauen in hockender Stellung oder mit gespreizten Beinen
darstellen [vgl. Weber a. a. O. S. 143 fr. und oben zu
Tafel XLVI1I, 2, 3]. Von ihnen wird man die bekleideten zum Teil mit Schreiber als Klageweiber,
die nackten aber ohne Ausnahme als Frauen erklären müssen, welche dem Toten zum Genuss und zur
Lustbarkeit mit in das Grab gegeben wurden (hier Abb. 120, 121 nach Schreiber). Sie werden auch
stehend oder, wie in alter Zeit, liegend gebildet, und Gruppen zeigen, wie sich der Ägypter die Ver-
wendung dieser Bilder dachte. Sie dienen, wie die beigegebenen Gänse, Enten, Brote und ähnliche
schöne Dinge, zur Befriedigung der Bedürfnisse des Verstorbenen.
Das Berliner Museum besitzt einige Formen, welche vorn und hinten und an den Seiten mit
Negativen versehen sind. Regelmässig findet man auf ihnen das Bild einer nackten hockenden oder
liegenden Frau mit stark ausgeprägten Geschlechtsmerkmalen (vgl. Abb. 122). Sie tragen kugelrunde
Fläschchen in den erhobenen Händen oder eine Frucht. In der ganzen Auffassung der Facestellung mit
ausgebreiteten gehobenen Armen gleichen sie ganz dem alten Manne der besprochenen Form. Bei einigen
dieser Frauen ist das Haar sorgfältig in einer breiten Perücke vereinigt, ein andermal ist es natürlicher
gestaltet, einmal ähnelt sein Schmuck den Knospen des Mannes.



Abb. 120, 121. „Totenbräute“ nach Klischees von
Schreiber zu Bd. II, 2.

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