Als der imperiale Gedanke Roms mit griechisicher Meta-
physik und Mythologie zusammentraf, hat er beide nicht
eigentlich mehr umbilden müssen, um sie seinem Geist annehm-
bar zu machen: beide waren gleichsam vorbereitet, in die
römische Staatsidee einzugehen, die selbst ihre Götter nach den
Verhältnissen des staatlichen Lebens begriff. Von jeher waren
alle Ordnungen des gemeinsamen Lebens für die römische Reli-
giosität von Göttern „wie von Magistraten“ verwaltet.1) Die
römische Metaphysik projizierte doch nur die Kräfte des Wil-
lens, nach denen das politische Leben sich lenkte, ins Trans-
zendente. Da fing sie nun die mythologischen Formen, die die
griechische Philosophie fortgebildet hatte, auf. Aber schon in
dem die griechische Stoa alle Erscheinungen als gleichnishaften
Ausdruck einer Urkraft sah, die olympischen Götter als Sterne
an den Himmel versetzte, (wo sie zwar noch immer unbeirrbar
die irdischen Geschicke lenkten, aber in ihrem Walten der
menschlichen Vernunft erkennbar, ja eigentlich um des Men-
schen willen da waren) waren die Religion und ihre symbolischen
Vorstellungen ganz den menschlichen Kräften angepaßt und
unterworfen; das mußte sie dem Empfinden des römischen
Bürgers vertraut machen. Dilthey hat darauf hingewiesen,2)
wie wechselseitig die Einflüsse waren, welche die römische
Staatsform und die spätgriechische Philosophie miteinander
verbanden: wie der Logos-Nomos-Begriff der späten Stoa mit
unter dem Eindruck des im Imperium verwirklichten göttlichen
Weltregiments entstanden ist. Wer wollte andererseits ver-
kennen, daß auch Weihe und Würde des Imperators erst aus
dem griechischen Geist Gestalt empfingen: wie in seiner Per-
son Göttliches und Menschliches sich die Waage halten, wie
das Individuelle ins Ewige hinauswächst, das Göttliche in ihm
Gestalt wird — in dieser Spannung zwischen dem vergäng-
lichen Menschen und seinem ewigen Auftrag, die im Amt auf-
gehoben und verewigt ist, finden wir den letzten Versuch der
sinkenden Antike, Mensch und Kosmos, das Sichtbare mit dem
Ewigen in Einklang zu bringen.
’) Vergl. W. Dilthey, Ges. Schriften, 1914, Band II, S. 12 f.
2) a. a. O.
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physik und Mythologie zusammentraf, hat er beide nicht
eigentlich mehr umbilden müssen, um sie seinem Geist annehm-
bar zu machen: beide waren gleichsam vorbereitet, in die
römische Staatsidee einzugehen, die selbst ihre Götter nach den
Verhältnissen des staatlichen Lebens begriff. Von jeher waren
alle Ordnungen des gemeinsamen Lebens für die römische Reli-
giosität von Göttern „wie von Magistraten“ verwaltet.1) Die
römische Metaphysik projizierte doch nur die Kräfte des Wil-
lens, nach denen das politische Leben sich lenkte, ins Trans-
zendente. Da fing sie nun die mythologischen Formen, die die
griechische Philosophie fortgebildet hatte, auf. Aber schon in
dem die griechische Stoa alle Erscheinungen als gleichnishaften
Ausdruck einer Urkraft sah, die olympischen Götter als Sterne
an den Himmel versetzte, (wo sie zwar noch immer unbeirrbar
die irdischen Geschicke lenkten, aber in ihrem Walten der
menschlichen Vernunft erkennbar, ja eigentlich um des Men-
schen willen da waren) waren die Religion und ihre symbolischen
Vorstellungen ganz den menschlichen Kräften angepaßt und
unterworfen; das mußte sie dem Empfinden des römischen
Bürgers vertraut machen. Dilthey hat darauf hingewiesen,2)
wie wechselseitig die Einflüsse waren, welche die römische
Staatsform und die spätgriechische Philosophie miteinander
verbanden: wie der Logos-Nomos-Begriff der späten Stoa mit
unter dem Eindruck des im Imperium verwirklichten göttlichen
Weltregiments entstanden ist. Wer wollte andererseits ver-
kennen, daß auch Weihe und Würde des Imperators erst aus
dem griechischen Geist Gestalt empfingen: wie in seiner Per-
son Göttliches und Menschliches sich die Waage halten, wie
das Individuelle ins Ewige hinauswächst, das Göttliche in ihm
Gestalt wird — in dieser Spannung zwischen dem vergäng-
lichen Menschen und seinem ewigen Auftrag, die im Amt auf-
gehoben und verewigt ist, finden wir den letzten Versuch der
sinkenden Antike, Mensch und Kosmos, das Sichtbare mit dem
Ewigen in Einklang zu bringen.
’) Vergl. W. Dilthey, Ges. Schriften, 1914, Band II, S. 12 f.
2) a. a. O.
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