ihres eigenen göttlichen Ursprungs inne ward, sich der höheren
Welt durch ihre unsichtbaren Geisteskräfte verbunden wußte:
die Religiosität als mythenschöpfende Kraft ist an ein Gefühl
der Abhängigkeit gebunden, das der Selbstgewissheit der Er-
kenntnis nicht standzuhalten vermag. Der menschliche Geist
ist erkennend der höheren Welt verbunden, jene Bildungen
seiner Phantasie, vor denen er einst in frommem Schauder
niederkniete, begreift er jetzt als Wirkungen, endlich als
Gleichnis für Kräfte, welche auch ihm innewohnen, ja als Ge-
schöpfe seiner erfinderischen Erkenntnis. Da ist kein Platz
mehr für die alten Götter, wo der Mensch alle Kräfte des Alls
auch in seiner Seele wirksam weiß. Von jeher ist der antike
Mensch seinen Göttern in Gestalt und Wesen verbunden ge-
wesen, jene waren menschlich gebildet, ihre Wirklichkeit be-
griff er von sich aus, von Kraft und Vermögen seines irdischen
Lebens; so war der Uebergang von der göttlichen zur mensch-
lichen Welt immer ein fließender. Danach läßt sich vielleicht die
Leichtigkeit erklären, mit welcher in dem Augenblick, in dem
die Philosophie die Herrlichkeit des Menschen gedanklich be-
gründet und die alten Gottheiten entthront, der Mensch selbst
an ihre Stelle tritt, nicht nur gedanklich, sondern wirklich,
nicht nur in der Philosophie, sondern in der politischen Ge-
schichte: bei Sokrates, bei Platon und Aristoteles wird die uni-
versale Monarchie von der Philosophie her postuliert.1) Ein
durch Tugend überragender Mann muß zum Herrn gemacht
werden, heißt es in Aristoteles’ Politik, „ein solcher Mann ist
wie ein Gott unter den Menschen . . . gegen ihn gibt es kein
Gesetz.“ Und durch seine Philosophie und Ethik will Sokrates
die Bürger ebenso zu „königlichen Männern“ erziehen, wie für
Platon der Weise über den Gesetzen steht. Man begreift, daß
die Vergottung des Monarchen gerade aus der griechischen
Philosophie entspringt, ja in der griechischen Geistesart von
Beginn an gelegen hat: in dem zarten und doch mächtigen
Verhältnis, in welchem Geist und Leib, Mensch und Gott, Auge
und Logos für den Griechen verbunden waren.
1) Vergl. E. Meyer, „Alexander der Große und die absolute Monar-
chie“ in Kleine Schriften, Halle 1910.
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Welt durch ihre unsichtbaren Geisteskräfte verbunden wußte:
die Religiosität als mythenschöpfende Kraft ist an ein Gefühl
der Abhängigkeit gebunden, das der Selbstgewissheit der Er-
kenntnis nicht standzuhalten vermag. Der menschliche Geist
ist erkennend der höheren Welt verbunden, jene Bildungen
seiner Phantasie, vor denen er einst in frommem Schauder
niederkniete, begreift er jetzt als Wirkungen, endlich als
Gleichnis für Kräfte, welche auch ihm innewohnen, ja als Ge-
schöpfe seiner erfinderischen Erkenntnis. Da ist kein Platz
mehr für die alten Götter, wo der Mensch alle Kräfte des Alls
auch in seiner Seele wirksam weiß. Von jeher ist der antike
Mensch seinen Göttern in Gestalt und Wesen verbunden ge-
wesen, jene waren menschlich gebildet, ihre Wirklichkeit be-
griff er von sich aus, von Kraft und Vermögen seines irdischen
Lebens; so war der Uebergang von der göttlichen zur mensch-
lichen Welt immer ein fließender. Danach läßt sich vielleicht die
Leichtigkeit erklären, mit welcher in dem Augenblick, in dem
die Philosophie die Herrlichkeit des Menschen gedanklich be-
gründet und die alten Gottheiten entthront, der Mensch selbst
an ihre Stelle tritt, nicht nur gedanklich, sondern wirklich,
nicht nur in der Philosophie, sondern in der politischen Ge-
schichte: bei Sokrates, bei Platon und Aristoteles wird die uni-
versale Monarchie von der Philosophie her postuliert.1) Ein
durch Tugend überragender Mann muß zum Herrn gemacht
werden, heißt es in Aristoteles’ Politik, „ein solcher Mann ist
wie ein Gott unter den Menschen . . . gegen ihn gibt es kein
Gesetz.“ Und durch seine Philosophie und Ethik will Sokrates
die Bürger ebenso zu „königlichen Männern“ erziehen, wie für
Platon der Weise über den Gesetzen steht. Man begreift, daß
die Vergottung des Monarchen gerade aus der griechischen
Philosophie entspringt, ja in der griechischen Geistesart von
Beginn an gelegen hat: in dem zarten und doch mächtigen
Verhältnis, in welchem Geist und Leib, Mensch und Gott, Auge
und Logos für den Griechen verbunden waren.
1) Vergl. E. Meyer, „Alexander der Große und die absolute Monar-
chie“ in Kleine Schriften, Halle 1910.
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