Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Simson, Otto von
Zur Genealogie der weltlichen Apotheose im Barock besonders der Medicigalerie des P.P. Rubens — Leipzig, Strassburg, Zürich: Heitz & Co., 1936

DOI chapter:
1. Teil: Darstellung des Menschen bis zur Renaissance
DOI chapter:
1. Kapitel: Ueber das Bild des mittelalterlichen Menschen
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.63507#0039
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
1. Kapitel

Ueber das Bild des mittelalterlichen Menschen.
Aus der späten Antike hat das Christentum die Verachtung
der sinnlichen Welt und damit auch die Möglichkeit, sie nur als
gleichnishaften Abglanz einer intelligiblen zu betrachten über-
nommen. Und doch: wie weit immer die griechische Philosophie
sinnliche und geistige Welt von einander getrennt hatte —
durch einen wirkenden Zusammenhang waren diese immer
mit einander verknüpft. Wie sinnenhaft vollzog sich für den
griechischen Geist alles Erkennen. So wie das Auge das Licht
aufnimmt, geschieht die Begegnung des erkennenden Geistes
mit dem Gegenstand seiner Erkenntnis.1) Wie war der Mensch
damit auch zu der höheren, göttlichen Welt des Intelligiblen ins
Gleichgewicht gesetzt. So konnten die alten Göttergestalten
als begriffliche Symbole fortleben: das gleiche Auge, das die
Götter geschaut hatte, erkannte auch die Begriffe. Dem ge-
heimen Gesetz, nach welchem das All gelenkt wird, weiß der
erkennende Geist sich verwandt, als Sinn und Mitte des Kosmos
hat die Metaphysik bis zum Untergang der Antike den Men-
schen begriffen.
Wie verändert ist der mittelalterliche Mensch in seiner
metaphysischen Stellung. Himmel und Erde, geistige und sinn-

i) „Das im Erkennen stattfindende Abbilden des Seins im Bewustsein“
(sagt Diltey) „setzt die Verwandtschaft des Denkenden mit dem Natur-
ganzen voraus, dessen Bewußtsein bis in die griechische Naturphilosophie
zurückreicht“. Tö Se öp.oko to 6'p.otov, Gleiches wird nur durch
Gleiches erkannt. Der Erkenntnisgegenstand muß im Erkennenden auf
eine verwandte Disposition treffen.

3

33
 
Annotationen