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Simson, Otto von
Zur Genealogie der weltlichen Apotheose im Barock besonders der Medicigalerie des P.P. Rubens — Leipzig, Strassburg, Zürich: Heitz & Co., 1936

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1. Teil: Darstellung des Menschen bis zur Renaissance
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1. Kapitel: Ueber das Bild des mittelalterlichen Menschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.63507#0055
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Stellungen geschmückt, über denen dann freilich hoch oben
das Reiterstandbild steht.1) Uebrigens zeigt auch das Grab-
mal am Sarkophag Schilderungen der Kriegstaten des
Scaligers. Es drückt sich darin eine gewisse Weltlichkeit aus,
die Wertung der irdischen Taten. Doch scheint es mir be-
zeichnend, daß die „Apotheose“ darauf nicht mehr Bezug nimmt
als die des Saltarelli. Solange die mittelalterliche Weltansicht,
die Himmel und Erde soweit auseinanderhielt, in Kraft war,
wäre es doch niemandem eingefallen, die weltliche Gloria auf
das ewige Leben zu beziehen, die kraftvollen Taten und Wir-
kungen der erwachenden Persönlichkeit unmittelbar jenen
guten Werken zu verbinden, welche die christlichen Tugenden
als Torhüter der Seligkeit verkörpern. Gerade die irdische
Ruhmsucht drückt im Paradiso Justinian in die unterste
Sphäre der Seligen herab (Paradiso VI). Die Figuren der
christlichen Tugenden an jenen Gräbern scheinen nicht auf
besondere Eigenschaften des Verstorbenen sich zu beziehen,
sondern verkörpern vielmehr den reinen Wandel, den jede
christliche Seele ohne Unterschied der Persönlichkeit erstrebt.
Bei jenen Verherrlichungen des irdischen Lebens denken wir
eher an Occams Satz von der zweifachen Wahrheit.
Als dann im folgenden Jahrhundert mit einem neuen
Lebensgefühl auch der Einfluß der römischen Stoa wieder er-
wachte und man die virtus als im Charakter angelegt begriff,
hat man auch jene evangelischen Tugenden mehr und mehr
mit den irdischen vereinigt. So wurden Caritas und Tem-
perantia, Fortitudo und Justitia aus transzendenten, den
Menschen beherrschenden universalen Mächten allmählich
Eigenschaften, welche die besondere Seele auswirkt, und die den
Geist ihrer Taten lenken und bezeichnen. Indem dann der Ge-
danke, welchen schon die Mystik vertreten hatte, immer mehr
durchdrang: daß es möglich sein müsse, den christlichen Got-
tesstaat schon hier auf Erden zu verwirklichen, erhält auch
die Zeitgeschichte selbst in ihren politischen Forderungen eine
ganz neue metaphysische Rechtfertigung, die das Mittelalter
ihr niemals zugestanden hat. Himmel und Erde sind nicht
9 Vergl. Weißbach, Trionfi, 1919, S. 94.

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