Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Simson, Otto von
Zur Genealogie der weltlichen Apotheose im Barock besonders der Medicigalerie des P.P. Rubens — Leipzig, Strassburg, Zürich: Heitz & Co., 1936

DOI Kapitel:
1. Teil: Darstellung des Menschen bis zur Renaissance
DOI Kapitel:
2. Kapitel: Die Feier des Menschen in der Renaissance und die religiöse Bewußtwerdung des Individuums
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.63507#0058
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
aufschlußreich; er wird ganz passivisch vorgestellt. Der ohn-
mächtige Sterbliche untersteht dem Heilsplan Gottes: so muß
dieser mit tausendfältigen Wirkungen aus der Höhe hernieder
ihn lenken, — man denkt an eine Marionette.
War so der Mensch auch überall den höheren Einwir-
kungen unterworfen, — in Einem blieb er doch selbstherrlich:
in dem Willen, in der Freiheit, sich für dies oder jenes zu ent-
scheiden. Im Willen sieht Dilthey das Motiv in der euro-
päischen Metaphysik, das der römische Geist besonders ausge-
wirkt hat.1) In der mittelalterlichen Hierarchie wirkt es wesent-
lich fort. „Das Christentum war regimental, der römische
Geist konnte den religiösen Prozeß nur als an ein neues gei-
stiges Imperium gebunden denken. Das höhere Leben floß von
Gott her nur in der von diesem Gottesstaat geregelten Ord-
nung und Disziplin auf die Christen nieder. Die Fides impli-
cita war der Gehorsam von Untertanen.“2) Aber jene römische
Willensmetaphysik hatte doch auch die Herrschaftssphäre des
Individuums, Recht, Freiheit, Pflicht der Person abgegrenzt
und bestimmt. Solange die kirchliche Hierarchie ungebrochen
bestand, solange es keinen Zweifel gab an der abgestuften
Mittlerschaft von Papst, Bischöfen, Priestern, durch welche die
göttliche Gnade in der festen Regelung dieses Gottesstaates zu
den Laien hinabfloß, — solange spielt der Wille des Indi-
viduums in der mittelalterlichen Theologie doch eine verhält-
nismäßig geringe Rolle. In demselben Jahrhundert erliegt die
Universalmonarchie mit ihrem transzendenten Anspruch den
sich überall rührenden politisch autonomen Kräften, und be-
ginnt Verweltlichung und Zerfall des Papsttums. Da steht
Dante auf. Sein Zorn gegen Bonifaz VIII. hat etwas Merk-
würdiges: ist es doch, als ob das erste im modernen Sinn ge-
waltige Individuum und der mürbe Universalismus sich kontra-
punktisch entsprächen. Wir sahen ja, wie die mittelalterliche
Theologie Himmel und Erde grundsätzlich getrennt hatte. Nur
in allmählichen Abstufungen und in langsamem Aufstieg sollte
die Vereinigung möglich sein. Mühsam war diese Wölbung

52

*) A. a. O. S. 8 f.
2) Dilthey ibid. S. 57 f.
 
Annotationen