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Die Zelle Gamundias

an das Kloster St. Denis übergegangen. Trifft diese Vermutung zu, so wäre die
spätere Aufführung der cella Gamundias in dem gefälschten Diplom nicht als
Versuch des Mutterklosters zu werten, unbegründete neue Rechte geltend zu ma-
chen — dazu bot die angespannte Lage von St. Denis um die Mitte des 9. Jahrhun-
derts wenig Anlaß —, vielmehr ging es nur darum, die bereits bestehenden Rechts-
verhältnisse durch die nachträgliche Anrufung der Autorität Karls d. Gr. abzu-
sichern.33 Auffallend ist in der Tat, daß nichts darauf deutet, daß Karl die Ge-
samtvergabung des Fulradtestaments bestätigt hat. Für das Kloster St. Denis wäre
dies um so eher zu erwarten gewesen, als zwischen seinem Abt und dem Königs-
hof die engsten Beziehungen bestanden hatten. Erst recht fehlte dem Kloster eine
urkundliche Bestätigung der nicht im Testament seines Abtes erwähnten nachträg-
lich erfolgten Gründung. Diesem Mangel suchte man nach den Gepflogenheiten
der Zeit durch das Beweismittel der gefälschten Urkunde abzuhelfen.
Wenn nun Fulrads Besitzerwerbungen im größeren Rahmen der karolingischen
Geschichte gesehen werden müssen, so gilt dies im besonderen auch für seine
schwäbischen Zellengründungen. Daß religiöse Motive hier eine entscheidende
Rolle gespielt haben, kann als sicher gelten. Die Zelle war Reisestation und Mis-
sionszentrum in einem.34 Hinzu kam, wenn man J. FLECKENSTEINS Argu-
menten folgt, das strategische Moment: Es galt, den fränkischen Ausgriff nach
Süddeutschland zu unterstützen, dessen Stoßrichtung Herzog Tassilo von Bayern
galt. Diesen weitgespannten Plänen ordnet sich auch die Zelle Gamundias ein,
deren nachträgliche Errichtung dem zielbewußt planenden fränkischen Staats-
mann notwendig erschien — eine Einzelmaßnahme in einem großen Gesamt-
konzept.
Ist das Gamundias der Urkunde mit Schwäbisch Gmünd gleichzusetzen? Man ist
sich dessen so sicher, daß man nicht bedenkt, daß grundsätzlich auch Abtsgmünd
am Zusammenfluß von Lein und Kodier möglich wäre.35 Allein von der Urkunde
her ist keine sichere Entscheidung möglich. Kluge geographische Argumente lie-
ßen sich für beide Orte anführen. Immerhin fehlen in der Abtsgmünder Tradi-
tion jegliche Hinweise auf eine fränkische Klosterzelle. An ein weiteres Gmünd

33 In diesen Zusammenhang gehört wohl auch die gefälschte Fassung D des Fulradtestaments;
vgl. M. TANGL, a. O. 203
34 Im Testament von 777 wird die Aufnahme von Fremden (susceptio hospitum), in DK 238 die
susceptio hospitum ac pauperum als Zweck der frommen Stiftungen genannt. Ob sich Fulrad
von primär politischen oder primär religiösen Motiven bei seinen Zellengründungen hat leiten
lassen, bleibt eine offene Frage. Beide Absichten bedingen und ergänzen sich gegenseitig; vgl.
hierzu die aufschlußreichen Diskussionsbeiträge von K. BEYERLE, H. DANNENBAUER,
O. FEGER, H. JÄNICHEN und TH. MAYER im Anschluß an ein am 5. 3. 1955 gehaltenes
Referat von J. FLECKENSTEIN, Abt Fulrad von St. Denis und die karoling. Politik in
Alemannien, Städt. Institut f. geschichtl. Landesforschung d. Bodenseegebiets, 29 Protokoll.
35 Vgl. WUB VI 435, eine Urkunde des 12. Jahrh. Doch ist der Bezug des genannten Gemünden
mit Abtsgmünd nicht ganz sicher. Gesichert ist WUB IV Nr. 1206, S. 275 Abtzgemunde in dem
Vidimus einer Urkunde des Jahres 1251 von 1442.
 
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