Recht und Verfassung
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Jahr 1331 zu entnehmen.1 Darin erlaubt der Kaiser der Stadt Hall Bürger auf-
zunehmen „also das si alle die reht, eren und alt gut gewonheit haben als die, di
von alter darin gewonet und gesessen sind, und ouch in alle dem rehten, als unser
und des richs stet Ezzelingen, Hailprunnen und Gemünde und andere des richs
stete enphahent und an sich nement.“ Erhielt Gmünd sein Stadtrecht schon durch
Friedrich Barbarossa, wie die selbstsicheren Berichte der Chronisten erwähnen,2 3
oder etwa durch Kaiser Friedrich II., wie man im Hinblick auf andere schwä-
bische Städte gemeint hat?8 Oder hat eine beurkundete Rechtsverleihung in stau-
fischer Zeit überhaupt nicht stattgefunden? War dann das Gmünder Stadtrecht
Gewohnheitsrecht, wie es sich unter Königsschutz herausgebildet hatte? Die Sprö-
digkeit unserer Quellen erlaubt keine eindeutige Antwort auf solche Fragen. Zwei-
fellos galt auch für Gmünd der als Ansiedlungsprämie zu verstehende Satz ,Stadt-
luft macht frei': ein in die Stadt zugewanderter Unfreier oder Höriger wurde
,frei' meist nach Ablauf einer Frist von Jahr und Tag.4 Daß es hierbei nicht um
Freiheit im ethisch-romantischen Sinn des Persönlichkeitswertes ging, vielmehr
sehr konkret um Abstreifung ganz bestimmter Leistungspflichten, muß man sich
immer wieder vor Augen halten. Auch sollte man nicht übersehen, daß mit der
Aufnahme in der Stadt nur jenes private Abhängigkeitsverhältnis ein Ende fand,
von dem etwa in der Lorcher Urkunde von 1162 die Rede ist, die von der Schen-
kung zweier leibeigener Mädchen, Hedwig und Hiltburg, durch Kuno von Utin-
kofen an das Kloster berichtet.5 Die Unterstellung unter die öffentliche Gewalt
des Stadtherrn, später die Einbeziehung in die autonome Stadtgemeinde brachte
neue Pflichten mit sich, die Heranziehung der Bürger zur Verteidigung der Stadt,
zu Schanzarbeiten, zu Wachen usw., um hier nur den militärischen Bereich zu
nennen - Freiheit und Bindung, ein unauflösliches Geflecht menschlichen Zu-
sammenlebens. Das Gesamtbild rundet sich, wenn man bedenkt, daß es auch tren-
nende Momente gab, soziale und wirtschaftliche Gegensätze, die sich infolge der
zunehmenden Arbeitsteilung und infolge des wachsenden Wohlstands immer deut-
licher abzeichneten.
1 Vgl. H 51 (Kaiserselekt) Nr. 323 im HStASt - Reg.: GUB 149 (1331 Mai 25); ein weiterer
Hinweis ergibt sich aus der dem Augustinerorden 1284 gewährten Erlaubnis, omni iure civili
in der Stadt zu leben; vgl. oben S. 80.
2 Vgl. oben S. 32; dazu DOM. DEBLER I 85. 130. Die Chroniken erwähnen in diesem
Zusammenhang auch die Verleihung des späteren Stadtwappens (weißes Einhorn in rotem
Feld) durch „selbige Helden“; vgl. M. CRUSIUS, a. O. 521; öfters wird Barbarossa vermutet;
vgl. J. A. RINK, a. O. 19; DOM. DEBLER, ebda. (nach Kausler). Gegen diese Nachricht
sprechen überzeugende Gründe. Darauf wird DR. E. BANHOLZER (Schwäbisch Gmünd)
ausführlicher eingehen in einer Untersuchung, die sich auf breiter Grundlage mit dem Problem
des Einhorns befaßt.
3 Vgl. OAB 239 f.
4 Vgl. besonders H. MITTEIS, Über den Rechtsgrund des Satzes ,Stadtluft macht frei', Fest-
schrift Edmund E. Stengel, Münster/Köln 1952, 342 ff. (abgedruckt in: Die Stadt des Mittel-
alters Bd. 2, hrsg. C. Haase, Darmstadt 1972, 182 ff.
5 Vgl. oben S. 30.
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Jahr 1331 zu entnehmen.1 Darin erlaubt der Kaiser der Stadt Hall Bürger auf-
zunehmen „also das si alle die reht, eren und alt gut gewonheit haben als die, di
von alter darin gewonet und gesessen sind, und ouch in alle dem rehten, als unser
und des richs stet Ezzelingen, Hailprunnen und Gemünde und andere des richs
stete enphahent und an sich nement.“ Erhielt Gmünd sein Stadtrecht schon durch
Friedrich Barbarossa, wie die selbstsicheren Berichte der Chronisten erwähnen,2 3
oder etwa durch Kaiser Friedrich II., wie man im Hinblick auf andere schwä-
bische Städte gemeint hat?8 Oder hat eine beurkundete Rechtsverleihung in stau-
fischer Zeit überhaupt nicht stattgefunden? War dann das Gmünder Stadtrecht
Gewohnheitsrecht, wie es sich unter Königsschutz herausgebildet hatte? Die Sprö-
digkeit unserer Quellen erlaubt keine eindeutige Antwort auf solche Fragen. Zwei-
fellos galt auch für Gmünd der als Ansiedlungsprämie zu verstehende Satz ,Stadt-
luft macht frei': ein in die Stadt zugewanderter Unfreier oder Höriger wurde
,frei' meist nach Ablauf einer Frist von Jahr und Tag.4 Daß es hierbei nicht um
Freiheit im ethisch-romantischen Sinn des Persönlichkeitswertes ging, vielmehr
sehr konkret um Abstreifung ganz bestimmter Leistungspflichten, muß man sich
immer wieder vor Augen halten. Auch sollte man nicht übersehen, daß mit der
Aufnahme in der Stadt nur jenes private Abhängigkeitsverhältnis ein Ende fand,
von dem etwa in der Lorcher Urkunde von 1162 die Rede ist, die von der Schen-
kung zweier leibeigener Mädchen, Hedwig und Hiltburg, durch Kuno von Utin-
kofen an das Kloster berichtet.5 Die Unterstellung unter die öffentliche Gewalt
des Stadtherrn, später die Einbeziehung in die autonome Stadtgemeinde brachte
neue Pflichten mit sich, die Heranziehung der Bürger zur Verteidigung der Stadt,
zu Schanzarbeiten, zu Wachen usw., um hier nur den militärischen Bereich zu
nennen - Freiheit und Bindung, ein unauflösliches Geflecht menschlichen Zu-
sammenlebens. Das Gesamtbild rundet sich, wenn man bedenkt, daß es auch tren-
nende Momente gab, soziale und wirtschaftliche Gegensätze, die sich infolge der
zunehmenden Arbeitsteilung und infolge des wachsenden Wohlstands immer deut-
licher abzeichneten.
1 Vgl. H 51 (Kaiserselekt) Nr. 323 im HStASt - Reg.: GUB 149 (1331 Mai 25); ein weiterer
Hinweis ergibt sich aus der dem Augustinerorden 1284 gewährten Erlaubnis, omni iure civili
in der Stadt zu leben; vgl. oben S. 80.
2 Vgl. oben S. 32; dazu DOM. DEBLER I 85. 130. Die Chroniken erwähnen in diesem
Zusammenhang auch die Verleihung des späteren Stadtwappens (weißes Einhorn in rotem
Feld) durch „selbige Helden“; vgl. M. CRUSIUS, a. O. 521; öfters wird Barbarossa vermutet;
vgl. J. A. RINK, a. O. 19; DOM. DEBLER, ebda. (nach Kausler). Gegen diese Nachricht
sprechen überzeugende Gründe. Darauf wird DR. E. BANHOLZER (Schwäbisch Gmünd)
ausführlicher eingehen in einer Untersuchung, die sich auf breiter Grundlage mit dem Problem
des Einhorns befaßt.
3 Vgl. OAB 239 f.
4 Vgl. besonders H. MITTEIS, Über den Rechtsgrund des Satzes ,Stadtluft macht frei', Fest-
schrift Edmund E. Stengel, Münster/Köln 1952, 342 ff. (abgedruckt in: Die Stadt des Mittel-
alters Bd. 2, hrsg. C. Haase, Darmstadt 1972, 182 ff.
5 Vgl. oben S. 30.