292 VII. DIE STANZA D'ELIODORO.
der Darsteilung, die nichts als Wohllaut und Wonne athmen, den Künsbler
beseligen und die Beschauer entzücken, die wenig zu sagen scheinen und
doch das Tiefste bedeuten — er schuf die Madonna della Sedia.*)
Ein halbes Hundert Kupferstecher und mehr haben ihre Kunst an
der Madonna della Sedia versucht, die Photographie Tausende von Nach-
bildungen verbreitet. Kein Bild RafFael's ist so beliebt in weiten Kreisen,
kein Werk der neueren Kunst so gut bekannt. Die in der Liller Sammlung
aufbewahrten Entwürfe zur Madonna della Sedia (Br. 89) verrathen den
gleichzeitigen Ursprung derselben mit der Madonna aus dem Hause Alba.
Aber auch verwandt im Charakter dürfen sie bezeichnet werden. In
beiden klingen ssorentiner Eindrücke aus. Auch die Madonna della Sedia
drückt das innigste Zusammenleben von Mutter und Kind aus, preist die
Freude und Seligkeit der jungen Mutter, wie es so viele slorentiner
Madonnen thaten. Nur ist die Madonna della Sedia aus den slorentiner
Formen in römische übertragen, und an die Stelle der zarten hellen
Schönfarbigkeit der breite malerische Auftrag getreten. Die Madonna
sitzt in einem Stuhle (sedia oder seggiola) und hält mit beiden Armen
ihr Kind umfasst, das sich eng an sie presst, sein Köpfchen an ihre
Wangen zärtlich schmiegt. Beide blicken aus dem Bilde heraus, die
Mutter süll beglückt, das Kind froh, im weichen Mutterschoosse geborgen
zu sein. An diese innig verschränkte Gruppe schliesst sich noch rechts
der kleine Johannesknabe mit dem Rohrkreuze an. Er hat die Hände
gefaltet und blickt zu dem Genossen liebevoll andächtig empor.
Die hohe Vollendung des Bildes wird durch nichts so anschaulich
gemacht, wie durch die Sage, welche aus dem Kunstwerke entstanden
ist. Rasfael, so wird (seit dem vorigen Jahrhundert?) erzählt, sah eines
Tages im vaticanischen Hofe eine Bäuerin mit ihrem Kinde in den Armen
sitzen. Entzückt von der wunderbaren Schönheit des Weibes grifs er
nach dem ersten besten slachen Gegenstande, der sich ihm darbot, um
Stellung und Züge der Gruppe zu verewigen. Das war zufällig der
Boden einer Tonne, und so kam unwillkürlich die Rundform heraus, in
welcher die Madonna della Sedia sich zeigt.
Die Einordnung aller Gestalten in den Rahmen eines Kreises erschien
so ungesucht, die Führung der Umrisse in leisen Krümmungen so wenig
gezwungen, dass man an eine berechnete Absicht nicht glauben mochte.
Nur der Zufall, meinte man, zeige so glückliche Inspirationen. Aus den
Entwürfen lernen wir das Werden und Wachsen auch dieser Composition
*) Stiche von E. Mandel, E. Schaeffer und (im Tone besonders gut
getroffen) von J. Burger.
der Darsteilung, die nichts als Wohllaut und Wonne athmen, den Künsbler
beseligen und die Beschauer entzücken, die wenig zu sagen scheinen und
doch das Tiefste bedeuten — er schuf die Madonna della Sedia.*)
Ein halbes Hundert Kupferstecher und mehr haben ihre Kunst an
der Madonna della Sedia versucht, die Photographie Tausende von Nach-
bildungen verbreitet. Kein Bild RafFael's ist so beliebt in weiten Kreisen,
kein Werk der neueren Kunst so gut bekannt. Die in der Liller Sammlung
aufbewahrten Entwürfe zur Madonna della Sedia (Br. 89) verrathen den
gleichzeitigen Ursprung derselben mit der Madonna aus dem Hause Alba.
Aber auch verwandt im Charakter dürfen sie bezeichnet werden. In
beiden klingen ssorentiner Eindrücke aus. Auch die Madonna della Sedia
drückt das innigste Zusammenleben von Mutter und Kind aus, preist die
Freude und Seligkeit der jungen Mutter, wie es so viele slorentiner
Madonnen thaten. Nur ist die Madonna della Sedia aus den slorentiner
Formen in römische übertragen, und an die Stelle der zarten hellen
Schönfarbigkeit der breite malerische Auftrag getreten. Die Madonna
sitzt in einem Stuhle (sedia oder seggiola) und hält mit beiden Armen
ihr Kind umfasst, das sich eng an sie presst, sein Köpfchen an ihre
Wangen zärtlich schmiegt. Beide blicken aus dem Bilde heraus, die
Mutter süll beglückt, das Kind froh, im weichen Mutterschoosse geborgen
zu sein. An diese innig verschränkte Gruppe schliesst sich noch rechts
der kleine Johannesknabe mit dem Rohrkreuze an. Er hat die Hände
gefaltet und blickt zu dem Genossen liebevoll andächtig empor.
Die hohe Vollendung des Bildes wird durch nichts so anschaulich
gemacht, wie durch die Sage, welche aus dem Kunstwerke entstanden
ist. Rasfael, so wird (seit dem vorigen Jahrhundert?) erzählt, sah eines
Tages im vaticanischen Hofe eine Bäuerin mit ihrem Kinde in den Armen
sitzen. Entzückt von der wunderbaren Schönheit des Weibes grifs er
nach dem ersten besten slachen Gegenstande, der sich ihm darbot, um
Stellung und Züge der Gruppe zu verewigen. Das war zufällig der
Boden einer Tonne, und so kam unwillkürlich die Rundform heraus, in
welcher die Madonna della Sedia sich zeigt.
Die Einordnung aller Gestalten in den Rahmen eines Kreises erschien
so ungesucht, die Führung der Umrisse in leisen Krümmungen so wenig
gezwungen, dass man an eine berechnete Absicht nicht glauben mochte.
Nur der Zufall, meinte man, zeige so glückliche Inspirationen. Aus den
Entwürfen lernen wir das Werden und Wachsen auch dieser Composition
*) Stiche von E. Mandel, E. Schaeffer und (im Tone besonders gut
getroffen) von J. Burger.