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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0022
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Erster Abschnitt: 1750-1819.

rühmten Parnaß. Die Anklänge an antike Statuen sind bei mehreren Figuren unverkennbar,
doch fehlt dem Bilde außer der Wärme der Empfindung die strenge Einheit der Auffasfung,
die eben nur dann vorhanden ist, wenn der Künstler die Gestalten aus einem einzigen Ge-
dankenkern herauswachsen läßt, so daß sie notwendig miteinander verknüpft erscheinen,
während sie in einem Bilde wie Mengs' Parnaß nur in artiger, aber äußerlicher Neben-
einanderstellung beharren, als ob sie der bloße Zufall auf einem Plan vereinigt hätte.

Die Schilderung der Entwicklung unserer


5. Himmelfahrt Christi, von A. R. Mengs.
Dresden, Hofkirche.

Kunst kann nicht immer dem einzelnen Meister
gegenüber volle Gerechtigkeit üben. Ihre Aufgabe
zwingt sie, das Entwicklungsfähige und das Ent-
wicklungsbedürftige in erster Linie zu betonen, auch
die Mängel und Schwächen, die sich freilich erst
bei der Rückschau über einen langen Zeitraum offen-
baren. Die Zeitgenossen dachten anders und sahen
nur das wirklich Gute, woran es ja nicht fehlte,
und das verhältnismäßig Neue in den Werken ihrer
Lieblingskünstler. Das Lob, das sie Mengs spende-
ten, erscheint uns übertrieben, ist aber in Wahrheit
nicht übertriebener als die Huldigungen, die auch
die spätere Zeit so manchem unserer Künstler er-
wiesen hat, und ist in beiden Fällen ehrlich gemeint
und in seiner Art berechtigt. Die Bedeutung des
Malers Mengs liegt übrigens nicht allein in seinen
Werken, sondern auch in dem Einfluß, den er mittel-
bar übte. Diese nicht tiefe, aber verständige Auf-
fassung der Kunst, der Hinweis auf die verschiedenen
Muster, die eifrige Mahnung, jedes Muster in
seinem Kreise gelten zu lassen, sie alle zu vereinigen,
diese ganze mehr kritische als schöpferische Methode
des Wirkens eignete sich vortrefflich, durch die Lehre
überliefert zu werden, und bürgerte sich in der Tat
in den deutschen Kunstschulen ein. Die sogenannte
akademische Richtung, die im neunzehnten Jahr-
hundert nur langsam und nach scharfen Kämpfen
zurückgedrängt wurde, beruht wesentlich auf den
Grundsätzen der Mengsschen Malerei und hat sie nur
mit immer geringerem technischen Geschick fortgesetzt.

Neben der klassischen Richtung traten alle anderen Versuche, die Kunst in neue Bahnen
zu leiten, in den Hintergrund zurück. Es regte sich wohl hier und dort die Lust, auch die Ereig-
nisse der heimischen Geschichte durch die Kunst zu verherrlichen und aus dem Alltagsleben Szenen
zur Darstellung zu bringen, in denen sich poetische Stimmungen widerspiegeln oder in engem
Rahmen dramatische Verwicklungen entfalten oder endlich moralische Wahrheiten erproben. In
der Landschaftsmalerei taucht das Streben aus, an die Stelle des bereits stark abgeschlifsenen
Idealismus Claude Lorrains die einfache, schlichte Naturwahrheit zu setzen. Aber diese Bestrebungen
bleiben alle vereinzelt und ohne rechte Nachfolge. Teilweise wird erst in späterer Zeit wieder
an sie angeknüpft, oder richtiger gesagt: man erinnerte sich, als die Historien- und Genremalerei
 
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