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Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0031
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2. David und seine Schule.

11

hatte, in die Verbannung nach Brüssel wandern mußte, hörte sein unmittelbarer Einfluß auf
die französische Kunst auf.
David dankt dem bis zur Schroffheit energischen Hervorkehren des klassischen Elements
einen großen Teil seines Erfolges. Die entgegengesetzten Eigenschaften, die bis zum Kraftlosen
gesteigerte Scheu vor allem Gewaltsamen, die größere Billigkeit des künstlerischen Urteils, die
jeden Bruch mit der unmittelbaren Vergangenheit von sich wies, verschuldeten, daß eine mindestens
gleich reich angelegte Natur gegen David zunächst in Schatten trat.
Pierre Paul Prud'hon (1758—1823) stand der klassischen Richtung nicht feindselig
gegenüber. Er hat z. B. die Geräte für die Toilette der Kaiserin Marie Luise und die Wiege
des Königs von Rom in einem, wie er meinte, klassischen, für uns freilich entsetzlich zopfigen
Stil entworfen. Doch erblickte er in dem Studium antiker Muster keinen zwingenden Anlaß,
mit der alten Kunstweise völlig zu brechen. Für ihn war das klassische Altertum doch vor-
wiegend das fröhliche Reich Amors und der Venus geblieben, die anakreontische Muse ging
ihm tiefer zu Herzen als die tragische Poesie. Er zog die malerische Auffassung der plastischen,
die Wirkung durch Farben jener durch Linien vor und hielt sich mit wenigen Ausnahmen von
pathetischen Schilderungen fern. Die berühmteste Ausnahme macht das als Schmuck eines Ge-
richtssaales gedachte Bild (jetzt im Louvre), das den Mörder (Kain?), kaum daß er die Bluttat
vollbracht, auch schon von der Ge-
rechtigkeit und Rache verfolgt und
ereilt darstellt (Abb. 11). Der Ein-
druck der mit ergreifender Wahrheit
geschilderten Szene wird durch die
Stimmung der Landschaft mächtig
erhöht. Nicht die Tendenz, sondern
die größere Natürlichkeit und Wahr-
heit der Empfindung unterscheidet
ihn von der älteren Schule. Vor-
trefflich versinnlicht die Richtung des
auch als Zeichner fruchtbaren Mei-
sters die Entführung Psyches durch
Zephyr (Tafel I). Namentlich dieses
Gemälde verschaffte Prud'hon den
Beinamen des französischen Correggio.
Zum schönen Fluß der Linien und
der zarten Behandlung des Fleisches
gesellt sich eine wirkungsvolle An-
wendung des Helldunkels, wodurch
die in volles Licht gesetzten Körper-
teile wie schimmernd hervortreteu.
Auch als Illustrator war Prud'hon
wie so viele Künstler seiner Zeit
tätig; selbstverständlich fühlte er sich
dabei von der erotischen Poesie am
meisten angezogen. In diesen Illu-
strationen, die häufig den Wert des
Textes weit überragen, wie in den

12. Madame Recamier, von Fr. Gerard.
Paris, Hotel de Ville.
 
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