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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0095
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4. Die Romantiker in Frankreich.

73

Die historische Schule ging in die romantische Schule über, die, wenn auch unter heftigen
Kämpfen, schließlich den Sieg errang. Die Malerei nahm an diesen Kämpfen wie überhaupt
an der ganzen Kulturentwicklung den regsten Anteil. Denn in der Restaurationsperiode gab
es in den gebildeten Kreisen keine Isoliertheit der Geister, keine Vereinzelung und Zersplitterung
der Interessen. Das politische Wort, das auf der Tribüne gesprochen zündete, war von der
Wissenschaft vorbereitet oder wurde von ihr erläutert. Die Grundsätze der Wissenschaft, die
liberalen Neigungen der Politik verherrlichte in ihrer Weise die Poesie, ihrer Begeisterung
für die Großtaten der Vergangenheit, für die Kämpfe und Siege der Freiheit schloß sich die
Malerei an. Frankreich erstieg in jenen Tagen einen glänzenden Höhepunkt nationaler Bildung.
Sie war groß und kühn in den Zielen, kräftig im Ausdruck und wurde von Männern getragen,
die bei aller Leidenschaft und Kampflust doch stets die enthusiastische, selbstlose Hingabe an die
Sache offenbarten. Nichts fehlte ihr zu einem siegreichen Erfolg als eine längere Dauer.
Die Malerei besaß übrigens noch ihre besonderen Gründe, sich mit der neuen Geister-
bewegung zu befreunden. Die Ausläufer der Davidschen Schule zeigten einen bedenklichen
Rückfall in das Manierierte. Ihre nach Statuen gezeichneten Gestalten waren ohne Leben, die
genau abgezirkelten Bewegungen ohne Wahrheit, die mechanisch zusammengestellten Gruppen
ohne Schwung. Nur die Schlachtenbilder von Gros erfreuten sich bei dem jüngeren Künstler-
geschlecht ungeteilter Anerkennung. Aber gerade für diese Richtung verloren die Regeln der
klassischen Schule alle Geltung. Das Gefühl, daß die Natur eifriger studiert, die Wahrheit
der Darstellung stärker betont, die malerische Wirkung vor dem plastischen Effekt angestrebt
werden müsse, wurde immer allgemeiner. Da empfahl sich der Anschluß an die neue Geister-


79. Pferderennen zu Epsom 1821, von Th. Gäricautt. Paris, Louvre.
(Phot, von Braun L Cie.)
 
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