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Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0103
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4. Die Nomantiker in Frankreich. — 5. Die französische Kunst zur Zeit des Julikönigtums. 81

gangen. Die Männer, die die neuen Pfade in der Malerei eingcschlagen hatten, standen alle
in jugendlichem Alter, hatten alle noch eine glänzende Zukunft vor sich. Aber schon am Ende
der Restaurationsperiode war ihr Sieg vollkommen entschieden. Von den alten Größen, von
Görard, Gros, Gusrin, sprach kein Mensch, und wenn sie noch erwähnt wurden, so geschah es
in mitleidigem, Wohl gar höhnischem Tone.

5. Die französische Aunst zur Zeit des fIulikönigtums.
Aus das „Geschlecht vom Jahre 30" blickte das gebildete Frankreich noch lange, nachdem
die Herrschaft der Julidynastie gebrochen war, mit Stolz zurück. Es verstand darunter jene
stattliche Männerschar, die in der Restaurationsperiode mit jugendlichem Mute und idealer
Begeisterung den literarischen oder künstlerischen Kampfplatz betreten, liberalen Grundsätzen
gehuldigt hatte. Sie alle schwärmten sür nationale Größe und Freiheit und träumten in der
Julirevolution beide verwirklicht und verbunden. Der neuen Regierung schlossen sich diese
Männer eifrig an; viele von ihnen wurden ihre Träger und Stützen. Und wenn sich auch
später dies politische Band lockerte, einzelne des Geschlechts die Reihen der Unzufriedenen ver-
mehrten, ihre Wege überhaupt auseinander gingen, so stellten sie doch immer die Blüte der
Nation während der Regierung Louis Philipps dar. Zu dem Geschlecht des Jahres 30 ge-
hören die angesehensten Staatsmänner, Historiker und Dichter des modernen Frankreich, dann
aber auch alle die Künstler, die in dem vergangenen Jahrzehnt den Umschwung der Malerei
herbeigeführt hatten, die Delacroix, Ary Scheffer, Delaroche, zu denen noch Horace Bernet,
Decamps usw. hinzutraten.s
Die Julirevolution brachte zunächst keine Änderung der Kunstweise. Von einzelnen
Gelegenheitsbildern abgesehen, in denen die Julitage verherrlicht wurden, beharrten alle Künstler
auf der schon früher von ihnen eingeschlagenen Bahn, nur daß die Gegensätze sich allmählich
abschlissen, der Kampf gegen die Klassiker, die längst den Rückzug angetreten hatten, still stand.
Aber schon nach wenigen Jahren konnte man einen wesentlichen Wechsel in den Kunstanschauungen
und in der ganzen Kunsttätigkeit wahrnehmen. Zuerst wurde die Stoffwelt, über welche die
Künstler geboten, namhaft erweitert. Die Eroberung von Algier erwies sich sür die Malerei
überaus folgenreich. Sie öffnete der Künstlerphantasie die orientalische Welt. Hier fanden die
Koloristen den natürlichsten Schauplatz sür ihre farbenglänzenden Schilderungen, eine Fülle
von Ausgaben, für deren Lösung nur ihre Kunst die Mittel darbot. Auch die biblischen Szenen
traten in ein neues Licht. Bisher hatte man die Erzväter in ein klassisches Gewand gehüllt;
nun gab man ihnen die Züge und die Tracht eines arabischen Scheichs und glaubte damit der
historischen Wahrheit viel näher gekommen zu sein. Das zweite neue Moment in der Ent-
wicklung der französischen Kunst bildete die Berufung der hervorragendsten Künstler zu monu-
mentalen Werken. Louis Philipp war ein baulustiger und kunstliebender Fürst. Große archi-
tektonische Werke hat zwar das Zeitalter der Julidynastie nicht geschaffen. Die antikisierende
Richtung, von den Gegenströmungen der Bildung wenig berührt, herrschte bei den öffentlichen
Bauten unbedingt vor. Aber auch für die Ausschmückung der architektonischen Werke durch die
Hand der Maler wurde eifrig Sorge getragen. Und hier lohnte glänzender Erfolg die Mühen.
Es war natürlich, daß die Männer, die sich als Führer der Kunstbewegung bereits bewährt
hatten, mit diesen Aufgaben zunächst betraut wurden. Indem sie aber an ihre Lösung schritten,
die Bilder mit der architektonischen Umgebung in Einklang zu bringen, also die Komposition
den architektonischen Gesetzen unterzuordnen suchten, änderten sie unwillkürlich ihren Stil. Es
ging nicht ferner an, die Farben als das wichtigste Ausdrucksmittel zu verwenden auch die
Linienschönheit, die geschlossene Gruppierung, die symmetrische Anordnung verlangten ihr Recht
Springer-Osborn, Kunstgeschichte. V. 5. Aust. 6
 
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