4. Das Erwachen der Farbe in Deutschland.
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lich Makart arbeiten konnte; an Stelle des historischen Jambendramas scheint das Ausstattungs-
stück getreten zu sein. Aber daneben stehen seine prachtvollen kleineren Arbeiten, deren weit
soliderer Kolorismus sich bis heute mit imponierender Frische erhalten hat, seine Kostümstudien,
seine Porträts, die aus dunkel glühenden Akkorden Gesichter und Hände von zarter Transparenz
der Hautmalerei hervortauchen lassen, und nicht zuletzt die hinreißenden Kostümfest- und Fest-
zugsentwürfe des genialen Dekorateurs, der die phantastische Farbenpracht versunkener Renaissance-
herrlichkeit in die nüchterne Welt des neunzehnten Jahrhunderts zu entbieten verstand. Die
Wirkung von Makarts Werken war wie ein Rausch, und wie ein Rausch auch verflog dem
Künstler selbst sein Leben, seitdem er im Jahre 1869 nach Wien gekommen war und hier als
der angebetete, umschwärmte Liebling der vornehmen Welt von Begierde zu Genuß taumelte,
bis ihn ein früher Tod dahinraffte.
In Wien brach Makarts Auftreten die Herrschaft der Schule Karl Rahls (1812—1865),
der in den fünfziger und sechziger Jahren etwa die Rolle eines österreichischen Wilhelm von
Kaulbach gespielt und, freilich mit bedeutend kräftigerem Temperament als der entlaufene
Corneliusschüler, in riesigen allegorisch-historischen Dekorationen geschwelgt hatte (Abb. 229).
Kaulbachsche Kompositionsmotive kehren auch uoch in dem kolossalen „Kreislauf des Lebens"
(im Treppenhause des Naturhistorifchen Hofmuseums) von Hans Canon wieder (Johann von
Straschiripka, 1829—1885), der nun aber, von Makart ermutigt, ganz anders in die Farbe
ging und der stärkste Vertreter des Wiener Kolorismus neben dem Meister wurde. Aller-
dings geriet Canon weit unmittelbarer als Makart in die Abhängigkeit von den alten Meistern,
namentlich von Rubens, in dessen Nachahmung er schließlich seine Eigenart völlig verlor.
Den Sprung aus dem Sinnlichen ins Übersinnliche machte der mit Makart gleichaltrige
Böhme Gabriel Max (geb. 1840), dessen Kunst schon frühzeitig, als er kleine Bilder von einer
Intimität der Stimmung und einer Leuchtkraft der Farbe malte wie wenige in Deutschland, einen
seltsam sensitiven Charakter annahm (Abb. 230). Diese Neigung steigerte sich, als Max den
Problemen der modernen Naturwissenschaft, den Theorien der Darwin-Häckelschen Anthropogonie,
233. Sonneuwendfeier, Zeichnung von Carl Spitzweg.
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lich Makart arbeiten konnte; an Stelle des historischen Jambendramas scheint das Ausstattungs-
stück getreten zu sein. Aber daneben stehen seine prachtvollen kleineren Arbeiten, deren weit
soliderer Kolorismus sich bis heute mit imponierender Frische erhalten hat, seine Kostümstudien,
seine Porträts, die aus dunkel glühenden Akkorden Gesichter und Hände von zarter Transparenz
der Hautmalerei hervortauchen lassen, und nicht zuletzt die hinreißenden Kostümfest- und Fest-
zugsentwürfe des genialen Dekorateurs, der die phantastische Farbenpracht versunkener Renaissance-
herrlichkeit in die nüchterne Welt des neunzehnten Jahrhunderts zu entbieten verstand. Die
Wirkung von Makarts Werken war wie ein Rausch, und wie ein Rausch auch verflog dem
Künstler selbst sein Leben, seitdem er im Jahre 1869 nach Wien gekommen war und hier als
der angebetete, umschwärmte Liebling der vornehmen Welt von Begierde zu Genuß taumelte,
bis ihn ein früher Tod dahinraffte.
In Wien brach Makarts Auftreten die Herrschaft der Schule Karl Rahls (1812—1865),
der in den fünfziger und sechziger Jahren etwa die Rolle eines österreichischen Wilhelm von
Kaulbach gespielt und, freilich mit bedeutend kräftigerem Temperament als der entlaufene
Corneliusschüler, in riesigen allegorisch-historischen Dekorationen geschwelgt hatte (Abb. 229).
Kaulbachsche Kompositionsmotive kehren auch uoch in dem kolossalen „Kreislauf des Lebens"
(im Treppenhause des Naturhistorifchen Hofmuseums) von Hans Canon wieder (Johann von
Straschiripka, 1829—1885), der nun aber, von Makart ermutigt, ganz anders in die Farbe
ging und der stärkste Vertreter des Wiener Kolorismus neben dem Meister wurde. Aller-
dings geriet Canon weit unmittelbarer als Makart in die Abhängigkeit von den alten Meistern,
namentlich von Rubens, in dessen Nachahmung er schließlich seine Eigenart völlig verlor.
Den Sprung aus dem Sinnlichen ins Übersinnliche machte der mit Makart gleichaltrige
Böhme Gabriel Max (geb. 1840), dessen Kunst schon frühzeitig, als er kleine Bilder von einer
Intimität der Stimmung und einer Leuchtkraft der Farbe malte wie wenige in Deutschland, einen
seltsam sensitiven Charakter annahm (Abb. 230). Diese Neigung steigerte sich, als Max den
Problemen der modernen Naturwissenschaft, den Theorien der Darwin-Häckelschen Anthropogonie,
233. Sonneuwendfeier, Zeichnung von Carl Spitzweg.