Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0275
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
5. Die historischen Stile in Plastik, Architektur und Kunstgewerbe.

233

gewordenen Eklektizismus hineingerissen sah, der erst um das Jahr 1890 die erlösende Gegen-
bewegung herausforderte.
Die Plastik wurde von dieser allgemeinen Unruhe naturgemäß am wenigsten berührt.
Die feste Begrenzung des bildhauerischen Betätigungskreises, das abstrakte Wesen der Kunst der
reinen Form schließt ja die Möglichkeit so tiefgreifender Umwälzungen, der die anderen Künste
fortwährend unterworfen sind, überhaupt aus. Hinzu kam, daß die Wiederaufnahme der antiken
Ideale gerade hier den tiefsten Eindruck hinterlassen mußte. Die Plastik der Alten bietet eine
solche Fülle von Werken, in denen die letzten Gesetze dieser Kunst mit der höchsten Meister-
schaft zum Ausdruck gebracht sind, daß ihr Einstuß nie völlig schwinden kann. Die Verehrung
der Griechen blieb darum durch alle Wandlungen bestehen; ja, der Anblick und das Studium
der Autike wirkte am Ende des neunzehnten Jahrhunderts noch einmal mit verjüngender Kraft
auf ein durchaus modern empfindendes Bildhauergeschlecht. Aber anders als das Griechentum,
das sich dem forschenden Künstlerauge erschließt, war der Klassizismus, der von den Akademien
gepflegt wurde. Aus dem unvergleichlichen Reichtum des Lebens, über den die Plastik des
Altertums verfügte, ward hier eine beschränkte Anzahl von Einzelzügen herausgegriffen und zu
einem Dogmensystem vereinigt, das schließlich zu einem Erstarren des künstlerischen Betriebes
in seelenloser Konvention führen mußte. Dagegen lehnte sich denn auch in der Bildhauerkunst


249. Römische Hochzeit, von Eugene Guillaume.
 
Annotationen