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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0332
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284

Vierter Abschnitt: 1870-1900.


303. Heuernte, von I. Bastien-Lepage. Paris, Luxembourg.

von allen Seiten zu umkreisen, um so auch ihre letzte malerische Ergiebigkeit auszunutzen. So
entstand der umfangreiche Zyklus seiner unvergleichlichen Pariser Straßenbilder, vom Boulevard
Clichy, vom Boulevard Montmartre, vom Boulevard des Italiens, diese klassischen Muster
moderner Städteschilderungen, die den ganzen eigentümlichen Zauber des bedeutenden Weltstadt-
lebens, mit japanisierendem Kunstgriff von oben her gesehen, meisterhaft zusammenfasfen
(Abb. 301). Dann die Serien der Louvrefaffaden und der Ansichten von der berühmten Jm-
pressionistenkirche: der Kathedrale von Rouen. Weiter die Reihe der Arbeiten, in denen er die
Eindrücke aus der Umgebung seines Landhauses in Eragny, unweit von Paris, sammelte;
schließlich die Szenen aus Dieppe und Havre, wo der Alte zuletzt das Leben an den Häfen,
auf den Märkten, bei den Kirchen studierte. Daneben galt feine Liebe ununterbrochen der
Landschaft der Normandie, ihren Bauerngehöften und Gärten, ihren fruchtbaren Ebenen und
ihren kleinen Ortschaften. Wie Monet hat auch Pissarro in London geweilt und aus Turners
kühner Licht- und Farbenwelt entscheidende Anregungen und Wünsche gesogen, die dann durch
Manets mutige Tat zum Leben erweckt wurden.
Auf einem großen Gemälde, das den Titel trägt: „Ein Atelier in Batignolles", hat
Henry Fantin-Latour (1836 —1904) die ganze historische Gruppe, Manet in der Mitte
vor einer Staffelei sitzend, im Bilde vereinigt (Abb. 293). Fantin-Latour ist auch sonst der
erste Porträtmaler dieser klassischen Zeit des Impressionismus gewesen. Er steht vor allem
Manets Frühzeit nahe durch den engen Anschluß an Velazquez, dessen kühle Harmonien er mit
außerordentlichem Geschmack sich aneignete. Auch die Stilleben Fantin-Latours gehören zum
Feinsten, was jene Zeit hervorgebracht hat. Später ist er hauptsächlich zur zeichnenden Kunst
(Abb. 302), namentlich zur Lithographie abgeschwenkt, deren Mittel er zu malerischen Kompo-
sitionen von schöner und weicher Helldunketwirkung benutzte. Er hat mit diesen Blättern, deren
figürliches Arrangement wiederum oft auf das französische Rokoko zurückweist, besonders gern
 
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