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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0355
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2. Die moderne Malerei in Deutschland.

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neunzehnten Jahrhunderts, ist auch hier zu bemerken. Indessen diese offenkundigen Fehler
Böcklins, die niemand bestreiten wird, kommen kaum in Betracht gegen den unvergänglichen
Besitz, den seine Werke für uns bilden. Vielleicht hat jene Härte und Buntheit der Farbe, in
die den Meister oft eine Neigung zu starken koloristischen Kontrasten unversehens hineintrieb,
seine ursprünglich verhöhnten Bilder dem Verständnis des großen Publikums später so nahe
gebracht, daß die Böcklin-Begeisterung der letzten Jahre entstehen konnte. Aber die ungeheuere
Wirkung, die er auf die Besten seiner Zeit ausgeübt hat, beruht auf den grandiosen positiven
Eigenschaften seiner schöpferischen Phantasie.
Pan, der Erdengott der Alten, ist wie eine Verkörperung der aus Phantastischem und
Irdischem gemischten Kunst Böcklins. Der schweizer Meister hat uns wie kein anderer Künstler
des Jahrhunderts die Liebe zur Herrlichkeit der Natur gelehrt, die er empfand. Aber seinem
Gigantensinn genügte nicht ein schlichtes Lied auf ihre keusche Schönheit. Er brauchte rauschende
Hymnen, um ihre Pracht wie im Orgelsang zu verkünden. Das Streben zu diesem Ziel be-
stimmte Böcklins Entwicklung. Auf seine erste Epoche, die ihn in der Hauptsache als einen
romantischen Landschafter zeigt, folgt eine zweite, in der die Figuren, früher fast als eine
Staffage in das Bild hineingesetzt, deutlicher hervortreten, bis in der Hauptperiode, deren
Mittelpunkt die elf großen Florentiner Jahre von 1874 bis 1885 bilden, die menschliche
Gestalt das Naturbild ganz beherrscht. Die Tendenz, die ihn leitet, ist eine immer schärfere
Herausarbeitung entscheidender Linien und Formen. Die Art, wie in der ersten Periode die
Konturen der Bäume und Wolken mit großem Griff gepackt sind, deutet schon darauf hin; dann
wendet er sich immer ausschließlicher diesen großen Raumwirkungen zu, die das Gesehene ans
tiefem Schauen heraus ins Bedeutende steigern. Nun streift er das Zufällige, das jede Einzel-
erscheinung in sich birgt, mit souveräner Verachtung ab und sucht das Elementare, das in ihr
steckt. So wird jede seiner Landschaften etwas Großartiges, Feierliches, als sei sie eines Gottes
Heiligtum, der sie in königlicher Güte besonders bedacht habe. Nicht von außen trägt Böcklin

321. Gefilde der Seligen, von Arnold Böcklin. Berlin, Nat.-Gal.
(Aufnahme der Photogr. Gesellschaft in Berlin)
 
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