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Springer, Anton; Osborn, Max [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0356
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304

Vierter Abschnitt: 1870—1900.


322. Die Toteninsel, von A. Böcklin. Leipzig, Stadt. Museum.
(Nach Vogel, Das Städtische Museum in Leipzig)

diese stilisierenden Gesetze in die Natur hinein, sondern er entwickelt sie aus dem Kern ihres
Wesens; das unterscheidet ihn von der heroischen Stillandschaft der Koch und Rottmann.
Böcklins Landschaft ist dabei nicht eigentlich pathetisch; ihre Größe beruht vielmehr auf eiuer
immanenten Feierlichkeit. Sie kennt kein lautes Sich-Brüsten, sondern es ist in ihr eine
schweigende Majestät, die allein durch ihre Existenz den Betrachter ergreift. Die Pracht Italiens
bot dem Schönheitstrunkenen willkommensten Anhalt zu solchen Steigerungen. Immer wieder
zog es den Schweizer, der auf der Grenze germanischer und romanischer Kultur geboren war,
nach dem Süden. In jene Zeit des ersten römischen Anfenthalts, der bis 1856 dauerte, fällt
auch die Heirat Böcklins mit einer Tochter des Latinerstamms, die als Symbol gelten mag für
die Vereinigung deutschen und italienischen Wesens in ihm. 1862 —1866 ist er wieder in
Rom. Später wird Florenz seine Lieblingsstadt. Dazwischen wandert er in Deutschland umher,
kommt nach München, wo die Bekanntschaft mit dem Grafen Schack ihn zuerst aus der Misere
seiner Jugend befreit, nach Hannover, wo er beim Konsul Wedekind die Wandbilder vom Leben
des Feuers malt (jetzt in Berlin), in denen fo viele der späteren Motive anklingen, kommt nach
Weimar, wo er wenige Jahre an der neugegründeten Akademie als Lehrer wirkt, nach Basel,
wo er die Fresken im Museum malt, schließlich, im Jahre 1885, noch einmal in die schweizerische
Heimat, nach Zürich, wo er Gottfried Keller nahe tritt. 1893 geht Böcklin dann zum zweiten-
mal nach Florenz, wo er in San Domenico aus dem Bergwege nach Fiesole das Buenretiro
seines Alters findet, aus dem er sieben Jahre später von dieser Welt abberufen wurde. Die
großen Linien und die klare Luft der italienischen Landschaft mußten seinen Neigungen ent-
gegenkommen. Stellte er die dunklen Silhouetten kahler Felsen oder ragender Zypressen gegen
den helleuchtenden Abendhimmel, so wuchsen sie noch höher empor, düsterer noch wurde das
Grün der Bäume, das Braun der Felsen, blendender dagegen die Luft, weiter und gewaltiger
der Raum zwischen den Dingen und dem fernen Horizont; jeder Zug ward potenziert, alles
ward ausdrucksvoller. Und Böcklin steigerte nun auch durch die Farbe. In jener mittleren
Epoche schreitet er vom Helldunkel der Frühzeit zu einer auffallenden Helligkeit vor, die von
fern her durch die Pleinairistischen Bestrebungen der Zeit beeinflußt worden sein mag. Aber
 
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