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Springer, Anton; Osborn, Max [Editor]
Handbuch der Kunstgeschichte (Band 5): Das 19. Jahrhundert — Leipzig, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.30792#0538
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470

Vierter Abschnitt: 1870—1900.


528. Lachszug, Entwurf für
Weberei, von Koloman Moser.


529. Leuchter, von P. Behrens.

die mehr sachliche als schmuckvoll-behagliche Lösungen erfordern;
seine praktischen Eßzimmer, Korridore, Ladeneinrichtungen, seine
hygienischen Schlaf- und Baderäume, seine Herren- und Arbeits-
zimmer, die zum Fleiß zu zwingen scheinen, sind vorbildlich in
ihrer unerbittlichen Beschränkung aus das Wesentliche (Abb. 523).
Es überrascht nicht, van de Velde als Maler unter den pedantischen
Dogmatikern des Neoimpressionismus zu finden. Aber grade auf
dieser Einseitigkeit basiert die Festigkeit und Geschlossenheit seiner
künstlerischen Individualität, der eine so eminente agitatorische und
pädagogische Kraft innewohnt.
Deutschland, das mehr als die Länder älterer Kultur von
wahrem Heißhunger nach einer Erneuerung des Kunstgewerbes er-
füllt war, vernahm mit wachsender Erregung von den Be-
wegungen in England und Belgien. Gierig stürzten sich unsere
Künstler auf die glückverheißenden Anregungen, merkwürdigerweise
nicht zuerst die Architekten, sondern vor allem die Maler. Rings
erblühten tausend ungeahnte Aufgaben, um deren Lösung sie sich
mühten. Zuerst im Anschluß an die ausländischen Vorbilder, dann
selbständiger, oft mit Anlehnung an Motive der deutschen Volks-
kunst und Überlieferung, die sich als fruchtbar erwiesen, nament-
lich der früher geschmähten Zeit des Biedermeiertums. Weniger
ästhetisch-zurückhaltend als die Engländer, weniger abstrakt als
die Belgier, mit mehr Lust an kräftigen Farben, an derben, be-
häbigen Formen, an phantasiereichem Spiel gingen sie daran,
neue Muster für Schränke und Stühle, für Stickereien und Be-
schläge, für Öfen und Porzellanstücke, für keramische Gesäße zu
Gebrauch und Zierat, für Lampen und Kronen, die unter dem
Einfluß der elektrischen Beleuchtung mit ihren zu freier und
leichter Anordnung drängenden, feidenumwickelten Drähten ohnehin
eine Umwandlung erforderten, für Polsterstoffe und Goldschmuck
und Tischgerät, kurz für alles zu finden, was zu unserm täglichen
Leben und zu unfern festlichen Stunden gehört. Auch die freien
Stilgesetze der Japaner wurden studiert. Brinckmanns großes
Werk vermittelte schon in den achtziger Jahren die Kenntnis der
ostafiatischen Kunst. 1892 gab der in Paris lebende Hamburger
S. Bing feinen „Japanischen Formenfchatz" heraus, ein modernes
Seitenstück zu Hirths älterem „Formenschatz der Renaissance". Einer
der Ersten, die von der „freien" zur „angewandten" Kunst über-
gingen und gleich das ganze Gebiet durchstreiften, war dann Otto
Eckmann (1865—1902). Mit ihm fochten in München H. K. E.
von Berlepsch-Valendas, der Möbelkünstler, Hermann Obrist
(geb. 1862), der kunstvolle Schöpfer origineller Stickereien von japa-
nischer Zartheit, später der Begründer neuer Formen der dekorativen
Plastik, in Berlin Melchior Lechter, der die Glasmalerei, oder
vielmehr die Kunst farbiger Fenster aus gebrannten und verbleiten
Glasstücken von tiefem, glühendem Kolorit, verjüngte, Walter Leifti-
 
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