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er die Verstorbenen, die gleich der Saat, in der Erde verborgen, einem andern Leben entgegenspriessen.
Ein treffenderes Bild aller menschlichen Hoffnung vermochte selbst die späteste Zeit nicht zu finden, und
im christlichen Sinne spricht diess am schönsten, der Mängel des Verses ungeachtet, die von Klopstock
gedichtete Grabschrift aus:

Saat, von Gott gesät, zu reifen am Tage der Garben.

Zu jenen Nahrung spendenden Erd-und Todtengottheiten, welche die grossen Göttinnen heissen und
denen die Narcissenhränze geweiht sind, gesellt sich auch der Geber des Weines Dionysos, der Stier -
und Ziegengott, welcher im schwarzen Gewände des Ziegenschlauchs den Beinamen Melanaegis erhielt und,
vom Höhengotte Zeus Aegiochos unter dem Winterzeichen des Sturm und Regen bringenden Ziegengestirns
mit der sterbenden Erdfrau Semele Proserpina in himmlischen Blitzflammen gezeugt, während ihres ver-
brennenden Hauses noch als Embryo gerettet, bei einer stehengebliebenen Säule niedergesetzt und durch
plötzlich aufrankenden, Trauben tragenden Epheu den Augen der eifersüchtigen Himmelskönigin Juno ver-
borgen, endlich im Schenhel des Lecheates oder Kindbetters zubenamten Vaters, d. h. im Berghang,
gezeitigt und in Wehen der vorsprossenden Hörner des Knaben oder Rebschösslinge, unter dem Frühlings-
zeichen des Stiers geboren wird. Hermes ist es wiederum, der ihn empfängt und zu seinen Ammen und
Erzieherinnen, den Nysäischen Nymphen, den Hyaden, Regengestirnen, oder Plejaden trägt. Der erwach-
sene Gott, welcher die allerzeugende Erdkraft darstellt, Stier, und Reigenführer der Gestirne heisst, bringt
auf seinem begeisterten Zuge um die Welt den Menschen die Rebe^ die Lehre des Weinbaues und die
bacchischen Weihen. Von der Blüthe erhält er den Namen Anthios. Der berauschende Trank, den er
darreicht, erhebt den Sinn; daher der Gott geflügelt in Amyklae dargestellt und Psilas genannt wurde,
betäubt aber zugleich und bewirkt den Schlaf, wie der im Getreide untermischte Mohn aus Demeters Hand.
Die durch den Trank zu Naxos eingeschlafene und wipder erwachte Ariadne, welche als Parze den Theseus
mit dem Knaul durchs Labyrinth geleitet und sich mit der Theseusblume bphränzt halte, wird seine Gattin
und gebiert ihm den Staphylos und Oenopion, den Mann der Trauben und den des Weins, von welchen
erstrer mit Rhoea (Granatapfel) die Oenotrophen (Weinpflanzerinnen) erzeugte. Bei Ariadne's Tode begräbt
der Gott sie in einem thönernen Sarge zu Argos, und die Verklärte erscheint als Vorbild jeder in die
bacchischen Mysterien Eingeweihten. Er stellt auf des Prosymnos Grabe am Lernaeischen Todtensee die
erste Grabsäule in Phallusform, ein Bild der Wiedererzeugung, und seine festliche Fackel bezieht sich nicht
minder auf die Feuerläuterung, als diejenige bei Festen der Demeter und der Persephone mit Zunamen
Dai'ra. Lachen und Weinen wechselt bei seinen Festen, wie bei denen der Demeter, und veranlasst das
Lust- und Trauerspiel, ein Bild des menschlichen Lebens, Die Religion der Göttin und ihrer Tochter
wird mit der des Gottes gewissermassen verschmolzen und die Identität desselben mit dem Todtengott
Hades-Pluto und Zeus Chthonios gelehrt. Einmal hatte Demeter auf dreimal geackertem Felde dem Heil-
mann Iasion mit ihrer Liebesgunst die Geheimlehre verliehen, und Plutos, den Gott des Saatenreichthums,
geboren. Ein andermal hatte Zeus selbst in Schlangengestalt, als Erdgott, die Kora Proserpina umarmt,
und den stierhäuptigen Dionysos Zagreus gezeugt, den zwar die Titanen, in Bezug auf die Beschneidung
der Reben, zerrissen, aber dessen schlagendes Herz, das Rebenauge, von Pallas Athene gerettet und von
Zeus, in Betracht der Rebeneinimpfung, Semelen als ein Trank eingegeben wurde, worauf diese den
Thebischen Gott in die Welt setzte. Bei dem Todtensee zu Lerna, dem bacchischen Festort, war Hades,
Proserpinen entführend, und Dionysos, die verklärte Thyone benannte Semele wieder herauf zu holen,
hinabgefahren.

Mit jenen Nahrung spendenden Göttern gewann die Idee der Fruchtbarkeit, des Wiederaufle-
bens der Natur, die Oberhand über die der Vergänglichkeit und Zerstörung, vermöge welcher man die
 
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