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stützt sich der Bräutigam nackt auf den mit seinem Gewand überdeckten Stab und trägt eine Striegel
als Zeichen der Reinigung in der rechten Hand, während die Linke auf dem Rücken ruht.

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2. Bild an der Vorderseite des Gefäfses. Hier erscheint das Brautpaar auf einem zweisitzigen
zierlich gearbeiteten Thronos neben einander sitzend, die Einsegnung und Weihe empfangend; die Braut,
mit von vorn gezeigtem Antlitz dargestellt, im Hochzeitschmuck des Schleiers, Diadems, vollständigen
Geschmeides, Chitons und Peplos angethan, hält einen mystischen rothgemalten Spiegel dem epheu-
bekränzten und nur vom Chlamidion umhüllten Bräutigam vor, welcher hinein blickt und die Hand
danach ausstreckt. Der Spiegel gehört gleichfalls zu dem dionysischen Spielwerk und ist das Symbol
des durchsichtigen Aethergewölkes und der Schöpfung, weil der Gott, hineinschauend, nach seinem
Bilde die Welt schuf. Eine hinter dem Thron stehende Dienerin, mit Chiton, Peplos und Sphendone
geschmückt, sieht sich zu gleicher Zeit in einem solchen Handspiegel, den sie vor sich hält. Oben
über den Häuptern des Brautpaars hängt das im ersten Bilde dargestellte mystische Saatkästchen,
und vor dem Paare schwebt auf der Flamme eines brennenden dreifiifsigen Thymiatcrions oder Rauch-
altars der geflügelte mystische' Genius Iacchos, mit beiden Händen einen Myrtenkranz der Einge-
weihten über die Vermählten haltend.

Polychrome Vasengemälde auf weifsem Grunde.

Taf. XLIV.

1. Ansicht eines grofsen Lekythos, welcher mit einem Todtenopfer vor Grabstelen bemalt ist,
aus der Sammlung des Consul Fauvel zu Athen, als Beispiel der Gestalt und Färbung dieser Gattung
von Trauergefäfsen. Sie werden neben den Gebeinen der Verstorbenen gefunden, manchmal an deren
Seite hingelegt, manchmal auch auf den Resten des Scheiterhaufens, wo sie, vom Feuer angegriffen,
zerbrochen daliegen, so dafs die vergänglichen Malereien häufig ganz verlöscht vorkommen. Nur den
oberen und unteren Theil der irdenen Vase umgiebt der gewöhnliche schwarze Glanzfirnifs, der selbst
dem Feuer widersteht, den mittleren aber ein weifser feiner üeberzug, der höchst selten zugleich
einen Firnifs hat und gewöhnlich die Farbe nur mäfsig fest bindet. Da in Athen nach geschehenen
Sühnungen und Reinigungen die religiöse Sitte herrschte, die dabei angewendeten Gefäfse hinter sich
zu werfen, überhaupt nichts, was bei Todtenfesten gedient, von Lebenden gebraucht werden durfte,
so erklärt sich die häufige Zerstörung dieser Vasen. Schon ihre Form und ihre Erscheinung auf den
Vasengemälden belehrt uns über ihre Bestimmung als Oelflaschen zur Salbung der Denkmale und
zum Manenopfer. Aus der schlanken, zierlichen und verlängerten Form dieser Gefäfse, besonders in
Bezug auf die Erhöhung des Halses und die Schwingung der Mündung, läfst sich ein später Ursprung
derselben erkennen.

Die Anmalung dieser polychromen Vasen ist im Allgemeinen nicht nach geschehenem Entwurf
oder vollendeter sorgfältigen Linearzeichnung der Bilder vorgenommen, sondern der Künstler hat nach
Gutdünken bald mit der Feder Umrisse von brauner Tinte, bald ganze Farbenmassen ohne Umrisse
aufgetragen, daher an manchen Stellen keine Zeichnung sich findet. Die zartere Fleischfarbe wider-
stand mehrentheils nicht den äufseren Einwirkungen, jedoch haben sich auch Beispiele davon erhalten,
wie von Faltenschattirungen und Halbtönen, Gewändern, Haaren und Gerätschaften, aus welchen An-
zeigen folgt, dafe die Gemälde mit gehöriger Rundung, Licht und Schatten ausgeführt waren.

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