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den Alten erschienen, so gedachten sie ihrer, wo es auf das theuerste Besitzthum eines Volkes ankam,
stets neben den Tempeln, und für sie focht die wehrhafte Jugend wie für den Boden und die Götter.

Aus dieser Ansicht von den Gräbern und dem Zustande der Seelen nach dem Tode, welche bei
den meisten Völkern der alten Welt sich vorfindet und noch bei einigen Völkern Hinterasiens und Ame-
rika's fortbesteht, entstand im Zusammenhang mit dem Begriff einer Göttin der Geburt und des Todes,
einer Vorsteherin der Hochzeit- und Todtenfeyer, der Gebrauch, wie bei Vermählungen den Bräuten, so
bei Bestattungen den Verstorbenen, eine Mitgift zu geben. Alles, was ihnen im Leben lieb und werth
gewesen, was zum Bedürfniss und zur Zierde der Lebenden gehört, ja manchmal sogar ein Schatz von
Münzen, von Gold und Edelsteinen, wurde ihnen beigesetzt Der sinnige, kunsterfahrenc Grieche Hess
auch die Todten nicht ohne die gewohnte Umgebung von anmuthigen, belebten Gegenständen 5 er legte
Bildnisse der Geliebten, Opfergeschenke in die Gräber, und jede den Verstorbenen geweihte Gabe musste
durch Kunst Dauer und Zierde empfangen 5 er wählte selbst die heitersten und bewegtesten Scenen zum
Schmuck ihrer Grüfte, Särge und Aschenkrüge, und strebte also für den erlittenen Verlust ihnen den voll-
ständigsten Ersatz zu reichen. Auf ihren Grabsteinen liess er sie noch die Vorübergehenden in kurzen
Gedichten anreden oder legte dem Leser einen freudigen Abschiedsgruss in den Mund, Gefühle erweckend,
die wohl und wehe thun, und die man so gern von Gräbern mit sich nimmt. Eigene Kränze winderinnen,
wie die Glykera des Malers Pausias zu Corinth, beschäftigten sich fortwährend mit Verfertigung von
Braut- und Todtenkränzen, welche als Liebesgaben Eroten hiessen. Im Innern der stillen Todtenbehau-
sungen, die lange Gräberstrassen bilden, sich bis zu ganzen Todtenstädten oder Nekropolen erweitern,
wie in Sicilien. die sogenannte Cava d'Tspica, spricht nnpJi Allee von ihrem ehemaligem s;nnen ,mJ Treiben

von ihren Sitten und religiösen Gebräuchen, bezeugt uns Alles, wie sich die geistige Fortdauer der Ver-
storbenen in der Seele der Angehörigen reflectirte, und aus Bild und Wort drängt sich ihr vergangenes
Leben in unsre Gegenwart. Der Forscher findet hier die Abschattung einer untergegangenen Welt, einer
jugendlichen Welt des Schönen, einer poetischen glücklicheren Bildungsstufe der Menschheit, und gewinnt
durch die wirkliche Anschauung mehr, als die Findung antiker Handschriften ihm gewähren könnte. Mit
glücklichem Zufall aus Gräbern zusammengelesene Scherben und Bruchstücke haben oft schon helfen
müssen, mangelhafte Nachrichten der Alten zu ergänzen. Manches Geheimniss, welches in der Vorwelt
nicht ausgesprochen werden durfte, kam durch die stumme Sprache der symbolisirenden Kunst aus Grä-
bern der Todten zum Vorschein. Hier erhielten sich Beispiele der ältesten Malerei und Bildnerei, wie
auch Nachbildungen verlorener berühmter Werke. Kunstbestrebungen verschiedener Epochen, verschie-
dener Schulen liegen hier vor Augen und setzen uns in den Stand, ihre Eigentümlichkeit aufzufassen,
sie zu unterscheiden und zu beurtheilen. Zu solchen Betrachtungen veranlasst schon allein die Menge der
schön geformten, bemalten Vasen, der Lampen und Thonbilder, welche sich neben verzierten Geräth-
schaften aus Metall, Bildern und Waffen aller Art in Gräbern befinden, durch Reichthum, Mannigfaltigkeit
der dargestellten Gegenstände sich auszeichnen, und in beigefügten Inschriften der Wissenschaft unschätz-
bare Aufschlüsse bieten. Diese Werke gehören einem eigenen Zweige der Plastik an, welcher bei der
Bestattung und beim Todtendienst erwuchs, und bloss aus vorhandenen Namens aufs chriften kennen wir
eine ganze Reihe von Künstlern, deren Thätigkeit im Formen und Bemalen derselben bestand. Da sie
bei der Hinfälligkeit des Lebens immerfort in Anspruch genommen wurde, so lässt sich ihr bedeutender
Einfluss auf die Kunst der Erfindung, Zusammenstellung und Zeichnung ermessen, und die Vollkommenheit,
zu welcher diese Art Werke gediehen, erklären. Auf den in Flammen gezeugten Gott Dionysos, welcher
zuerst die Ariadne in einem thönernen Sarge begrub, wurde die Einführung der gebrannten Erde zu
Begräbnissgegenständen bezogen; der Sohn ihrer Verbindung hiess Keramos, Ziegler, von dem der Platz
 
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