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in Betracht des flüchtig gearbeiteten öffentlichen Denkmals dem Verfertiger unverdiente, zugleich ausser-
ordentliche Ehre gestattet worden seyn. Die auf Gräbern gebräuchliche Form der Inschrift entscheidet 5
die angeführte Erklärung lässt sich daher nicht bestreiten. Fundort und Bildwerk der Proedra selbst und
ähnliche zu Athen und anderswo in Griechenland vorhandene oder erwähnte Marmorsessel, mit und ohne
Zueignungs - Inschriften oder Bildwerken, beweisen, dass man verstorbenen hohen Magistratspersonen in
öffentlichen Gebäuden, an Volksplätzen und auf ihren Gräbern solche Denkmäler als Sinnbilder des Richter-
und Regentenamtes stiftete, ja sogar in kleinem Maasstabe in den Sarg beisetzte. Zu näherer Anzeige
der landesobrigkeitlichen Bedeutung stehen an manchen dieser Marmorsessel in Athen und überhaupt in
Attika Minerveneulen, Zeichen der Göttin und Wappen der ihr geweihten Stadt, wie auf Münzen derselben,
und verzieren vorn das Fussgestell, woraus sich schliessen lässt, dass solche in Gemässheit der Leonto-
poden, Glaukopoden hiessen. Höchst selten sind die mit Inschrift versehenen, der hier dargestellte Sessel
ist unter mehreren, gerade in der Lage des Prytaneums befindlichen der einzige dieser Art und der
ausgezeichnetste. Das bedeutende Gewicht der Masse desselben musste seine Fortschaffung erschweren,
und zu seiner Erhaltung beitragen. Verschiedene zusammentreffende Umstände berechtigen uns, ihn noch
genauer zu bestimmen und für das Denkmal eines verstorbenen Prytanen Namens Boethos, eines aus dem
Rath der Fünfhundert zu Athen erwählten Mitgliedes der Fünfzig, welche, jedesmal einer gleichen Phyle,
Gemeinde, angehörend, über einen Monat lang Vorsitz und Vortrag in der Volksversammlung hatten, zu erklären.
Ihrer ausgezeichneten Würde wegen gebrauchten Dichter öfters diesen Titel statt König und Regent. Sie
pflegten in dem beim Prytaneum, Gerichtshof der Fünfhundert, gelegenen Rundgebäude, Tholos, zu opfern
und zu essen, worin wahrscheinlich die andern in dieser Gegend befindlichen, von grossen Marmorblöcken
gehauenen, einfachen Doppelsitze an einander gereiht standen, denn als Segmente eines grossen Kreises
geformt, sind sie vollkommen dazu geeignet. Dort umher waren Weihe-Bilder und Tempel mit Beziehung
auf des Freistaats Wohl und Ruhm errichtet, wie die Statuen der eponymischen oder Namens-Helden der
Volksstämme oder Phylen von Athen, worunter auch Erechtheus als Retter des Staats im eleusinischen
Kriege, die Friedensgöttin Irene mit dem Reichthum, dem Plutoslinaben im Arme, des Kriegsgottes und
zweier Liebesgöttinnen im Tempel des Ares, der Weisheitsgöttin Athene und der Kriegswuth Enyo, des
ionischen Stammgottes Apollo mit der Siegesbinde, des Halbgottes Herakles und Theseus des National-
helden 5 ferner der beiden Friedensstifter mit den Persern Namens Lykurg und Kallias, des Vaterlands-
liebenden Redners Demosthenes, des athenischen Gesetzschreibers Kalades, des Lobsängers von Athen
Pindar, der Staatsbefreier Harmodius und Aristogiton u. s. f. So hatten die Statuen der an dem Marmor-
sessel abgebildeten patriotischen Helden auch am Platze des Prytaneums ihre gebührende Stelle, jedoch
erschien Erechtheus dort den Immarados, nicht dessen Sühnopfer, die Chthonia, tödtend.

Merkwürdig sind die vorliegenden beiden Darstellungen schon wegen ihrer Seltenheit, die haupt-
sächlich von dem beschränkten geschichtlichen und localen Interesse der Gegenstände herrührt. Obgleich
beide gerade in der musterhaften Kunstepoche zu Athen durch Dichter und Bildner behandelt, der erste
in der berühmten Tragödie Erechtheus von Euripides, der zweite in beliebten Volksliedern besungen (s. in
Brunk's Analect. T. I. p. 155 das Scolion Callistrati) und von Praxiteles Meisterhand in einer ehernen
Statuengruppe verherrlicht worden, so vermochten gelehrte Forscher unter allen vorhandenen Ueberresten
des Alterthums bisher keine einzige bildliche Darstellung derselben zu entdecken, ihrem Scharfsinn entgingen
gegenwärtige Beispiele und diesem Werke blieb die erste Erklärung und Bekanntmachung überlassen.

Hinsichtlich der gedachten Gruppe des Harmodius und Aristogiton giebt die mitten in der Vignette
angebrachte, in Originalgrösse gestochene Silbermünze, eine Pentedrachme von Athen aus meiner eigenen
Sammlung, näheren Aufschluss.
 
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