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und übergeworfenem Peplos angethan, auf einem Lehnsessel ruht und zu ihm niederschaut, während er,
die Hände zu ihren Füssen herunter gestreckt hält, als hätte er so eben erst die Sandalen abgelöst
Denn vor der Vereinigung wurden die Bräute gesalbt, die Füsse gewaschen, und die Mutter band ih-
nen die Haare auf.

% Gemälde auf der Aussenseite derselben Trinkschaale, die Brautwerbung*) darstellend und
zweimal im Kreise des hier in natürlicher Grosse nebst den Henkelverzierungen abgebildeten Ge-
fässes mit wenigen Abänderungen wiederholt. Eros, nackt und ohne Haarschmuck, mit ausgebreite-
ten Flügeln, naht sich der Aphrodite und umfasst bittend die Kniee der Göttin, welche, von einem
Chiton, Peplos und Sphendone umhüllt, auf einem Lehnstuhl (Klismos) angelehnt in nachsinnender
Stellung sitzt und ihn anschaut, mit der einen Hand ihr Knie, mit der andern ihr Busengewand hal-
tend. Vor und hinter ihr steht eine von den zwei älteren Charitinnen Auxo und Hegemone, welche
sich durch Geberde und Ausdruck als Fürsprechcrinnen des Eros zu erkennen geben.

3- und 4. Zwei verschiedene Kylixformen der oben erwähnten Sammlung zu Athen.

Taf. XXXII.

1. Stiftung der Ehe in Attika, Gemälde in strengem Styl auf der unten abgebildeten Schmuck-
büchse, Kylichne, aus der Sammlung des Consuls Fauvel zu Athen.

Bei dem rohen Zustande der frühsten Bewohner von Attika herrschte die Gemeinschaft der
Weiber, als Cecrops, der erste König des Landes, einwanderte und ihnen das Beispiel und Gesetz
ehelicher Verbindung gab, indem er sich der Tochter des Aktäos Aglauros vermählte und deswegen
den Zunamen &<pui}?, der Doppelgeschlechtige, erhielt.**) Ihm, als Einführer der ersten Ehe, sieht
mau im gegenwärtigen Bilde die Auszeichnung gewährt, die nur denen, welche schon verheirathet
waren, gehörte, dass die Braut zu ihm geleitet wird, da gemeiniglich der Bräutigam sie selbst abho-
len inusste; so widerfährt ihm denn auch die seltene Gunst der Gegenwart der Hochzeitsgötter
0to) yeipmhun) Apollon und Artemis, denen man Haar und Gewand vor der Hochzeit weihte, und
die nur in ganz besonderen Fällen bei den Hochzeiten erscheinen.***) Sie geben den Fingerzeig zur
Erklärung des Gegenstandes; unter ihrer Leitung musste die erste Vermählung geschehen, und darum
trägt hier Apollon am Lorbeerstabe zu zwei Kränzen abgetheilte Zweige. Das Fest, an welchem die
Braut das Haus der Aeitern verliess, wurde ■ n^?%«^»iT>f^* (nach Andern ngo%ag«rojg;«) genannt, und
am Abend desselben die Hochzeit im Hause des Bräutigam» gefeiert. Wenn sie den Einzug nicht zu
Wägen, sondern zu Fuss hielt, so hiess sie %*]&«/*«*,****) wie hier Agraulos erscheint. Mit dem bräut-
lichen Schleier Kalyptra und einer Stephane geschmückt, mit dem ionischen Chiton und darüberge-
liiuigtcn Chlamydion umhüllt, geht sie im steifen festlichen Anzug, vor sich herabschauend, zögernden
Schrittes, ängstlich und blöde einher, während die ihr folgende Nympheutria oder Brautjungfer, in
Chiton und Peplos gekleidet, sie mit beiden Händen vor sich hinschiebt, und der mantelumgebene
Nymphagogos oder Brautführer sie an der Hand fortzieht. Apollon und Artemis, als Beschützer und
Vorsteher, weilen in dem Zuge, die Blicke nach ihr zurück wendend, jener mit der Chlamys umhüllt

*) Nach älterem Gebrauch mussten die Bräute der Venus opfern. (Homer Ilias V. v. 429.)

*) Athenaeus XIII, L

*) Mit Bedauern bemerken wir, dass Herr J. Millingen Peint. des Vases Gr. PL XLIV eine charakterlose Zeichnung von diesem
Vasengemälde bekannt gemacht und, ohne den Grund der Erscheinung der Götter zu beachten, für einen gewöhnlichen Braut-
zug erklärt hat.

*) Pollux Onomast. III. 3.

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