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zu widmen und um sein Denkmal zu schlingen begriffen ist. Sie fügt diese Liebesgabe den vielen
andern hinzu, mit denen dasselbe reichlieh ausgestattet erscheint. Von der Höhe der Säule bis zu
dem Fufsgestell liegen sie ausgebreitet; schon sechsmal umgeben die rothen Binden, mit Schleifen und
herabhängenden Enden bald an der Seite, bald vorn geknüpft, oder frei umgeschlungen, den Schaft der
Säule; oben hängt ein Lekythos zugleich an der Binde, unten auf der ersten Stufe ruht ein anderer
Lekythos, und auf der zweiten ein gewundener Epheukranz des Abgeschiedenen. Gegenüber der er-
wähnten steht, in nachsinnender Stellung vor sich hinblickend, eine andere Leidtragende, von einem
grofsen rothen Mantel ganz verhüllt.

2. Manenopfer. Mit der Geberde des tiefsten Schmerzes betrachtet ein Jüngling die vor ihm
über drei Stufen errichtete und mit rothen Opferbinden behängte Grabstele. Er scheint nach langer
Abwesenheit aus der Ferne heimgekehrt zu seyn und findet von dem Verwandten und Freunde nur
die Ruhestätte; in eine kurze kirschfarbige Chlamys gehüllt, trägt er einen weifsen rothumsäumten
Reisehut auf dem Rücken und weifse, roth und blau gezierte, Schnürstiefeln an denFüfsen; die linke
Hand hält er in die Seite gestemmt, und die geballte Faust der rechten drückt er wider die Stirn,
sich das schwarze Haupthaar raufend und sich selbst marternd. Während dessen bringt eine Diene-
rin ihm mit beiden Armen alle zu dem Todtendienst gehörigen Gegenstände in einem grofsen lorbeer-
umfafsten Opferkorbe, aus welchem Myrtenzweige, Lekythen oder Salbenfiäschchen hervorragen und
rothe wollene Opferbinden, Stemmata, herabhängen. Durch diese Weihungen verkehrt der Leidtra-
gende mit dem Unterirdischen und beruhigt die sehnsüchtig herumschwärmende Seele desselben. Das
Gewand der Dienerin ist völlig verlöscht, und auf dem Bilde nur noch der Ober- und Untertheil der
schwarzgelockten Frauengestalt sichtbar.

3. Orest und Elektra am Grabe der Aeltern, Gemälde aus der Fauvel'schen Sammlung.

Zwischen zwei nahe bei einander errichteten Grabstelen, von welchen die erste in oben ab-
gerundeter Pfeilerform mit zwei rothen Binden als ein frisches Denkmal neugeschmückt, die zweite
ohne Binden in Form eines graden Pfeilers mit einem Palmettenübersatz erscheint, sitzt auf den er-
höhten breiten Stufen derselben ein nackter Jüngling mit abgeschnittenen blonden Haaren und hält
seine Arme um den Schaft der zweiten Grabstele voll Inbrunst geschlungen. Bei dieser Handlung
überrascht ihn eine Jungfrau, welche, von einem langen Kleide mit rother Brusteinfassung umhüllt,
einen Opferkorb nebst den darin enthaltenen Todtengaben auf der linken Hand tragend, sich der Grab-
stele genähert hat; und indem sie scheu durch ihre Gegenwart sich als Anverwandtin zu erkennen
giebt, steht sie mit ihm im Gespräch begriffen. Vermuthlich ist jener Jüngling Orest, der nach der
auf Geheifs des Orakels an der Mutter vollzogenen Rache als Sühnender bei dem Grabe des ermor-
deten Agamemnon abwärts von dem frischen Leichenstein Klytämnestra's sitzt; unter dieser Voraus-
setzung ist die vor ihm stehende Opferbringerin Elektra. *)

Taf. XL1X

Zwei Lekythen, Gemälde aus der Fauvel'schen Sammlung zu Athen, mit schwachen Ueber-

resten der Farbe.

1. Vogelschau, Oionoskopie, am Grabe. Vor einer mit mehreren scharlachrothen geweihten
Binden umwundenen Stele, auf deren Blätterkapitel ein bunter Vogel sich niedergelassen hat, steht

*) Auf Grofsgriechiscben Vasen bat J. Millingen (s. Peint. d. V. Gr. PI. xiv.) einen ähnlichen Gegenstand mit Inschriften, unter
welchen der Name Agamemnon über seiner Grabstele vorkommt, herausgegeben.

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