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Tag für Denkmalpflege
Stenographischer Bericht — 3.1902

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Erste Sitzung , Donnerstag, den 25. September, 9 Uhr vormittags
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Verhandlung über a) die Erhaltung der Baudenkmäler, mit einleitendem Vortrag des Herrn Hofrat Cornelius Gurlitt
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https://doi.org/10.11588/diglit.29778#0029
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Erhaltnng' der Baudenkmäler.

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trachten. Es handelt sicli ja ancli bei der Aufgabe, die mir gestellt ist,
inshesondere um die Erhaltung, nicht um die Restaurierung der Kunstdenk-
mäler.

Jedes Werk von menschhcher Hand, jedes Kunstiverk und speziell
jedes Bauwerk, gelit von dem Moment an, in dem es fertig geworden ist, mehr
oder weniger seinem Ruin entgegen. Das ist eine Thatsache, die wir bedauern,
gegen die wir uns aber nicht verschhessen können. Es ist nicht im Kunst-
werk oder im Bauwerk ein inneres Lehen, wie etwa im menschlichen oder
tierisclien Organismus, so dass eine Wunde heilt oder vernarht und ganz
verschwindet. Die einmai einem Bauwerk geschlagene Wunde hleibt erhalten.
Die Erkenntnis, dass das Bauwerk unter allen Umständen üher kurz oder lang
zu Grunde gehen muss, sollte uns immer vor Augen schweben, ebenso,- wie
dem Arzte immer vor Augeii schwehen niuss, dass er das menschiiche Lehen
iiicht dauernd erhalten kann. Aher so wenig wie der Arzt seine Thätigkeit
aufgiebt in der Erkenntnis dieser Thatsache, so wenig würde es mir richtig
scheinen, wenn wir mit ühereinander geschlagenen Armen den Verfall des
Bauwerkes ruhig ansähen. Es ist vielmehr unsere Püicht, dahin zu wirken,
dass dieser endgiütige Yerfail in möglichst weite Ferne hinausgerückt werde.

Dies zu erreichen, sind die verschiedensten Mittel vorgeschlagen worden,
und da ich hier vor einem Kreise von Technikern spreche, wenigstens da eine
grosse Anzahl von den Anwesenden Techniker sind, so ist es nicht meine
Absicht, diese einzelnen Mittel auf ihre Nützlichkeit und Anwendbarkeit
einer Kritik zu unterziehen, das heisst: etwa am Schluss darauf hinauszu-
kommen, dass ich nun meinerseits ein von mir als das Beste erkaimtes Mittel
fhnen empfehle. Den Grund für diese Beschränkung in den Zielen werden
Sie sehr bald erkennen.

Ehe ich also einzelne Mittel bespreche, so möchte ich eine entscheidende
Frage anschneiden. Worauf kommt es uns hei der Erlialtung der Denkmäler
an? Gewiss nicht auf die Erhaltung der Materie selbst. Ein Stein kann
ja ein gewisses Interesse für sich gewinnen. Man kann etwa sagen: es ist
der Stein, auf dem der und der herühmte Mann gesessen hat, und dieser
Stein erhielt. dadurch als Materie für uns Wert, allerdings nicht in demselben
Masse, wie ein anderes Ohjekt, das um seiner künstlerischen oder sonstigen
Formen willen fiir uns Interesse hat. Die Form ist aher das Aeusserliche
an dein Objekt, und hei der kttnstlerischen Form handelt es sich, je höher das
künstlerische Ohjekt steht, um eine um so höhere Yerfeinerung, ich möchte
sagen, um eine um so dünnere äussere Schicht des Stoffes. Das, was wir
erhalten wollen an einem Bauwerk, an einer Statue, ist ja nicht der Stein
und das Stück Holz, aus dem sie gemacht siiid, sondern die allervergänglichste
Seite des Denkmals, die äussere Schicht, die äussere Umrahmung des ganzen
Objektes.

Diese nun zu erhalten, die Form zu erhalten, haben wir sehr verschiedene
Mittel angewendet. Es ist vielleicht nicht ohne Interesse zu sehen, wie man
ausserhalb Europas hei anderen Kulturvölkern vorgegangen ist.

In den Berichten üher Japan lese ich, dass man in Japan die Tempel
in gewissen feststehenden Zeiträumen genau kopiert, selbst wenn sie nicht in
einem Zustande des Yerfalls sind; oder richtiger, ehe sie in einen solchen
Zustand komnien. Man erneuert die Tempei voilständig und errichtet
sie in dieser erneuerten Form nehen den aiten. Und erst, wenn eine
 
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