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thäter ist ewig *), wie meine Liebe für die Gräfin. Sie wollten
mich glücklich machen, ich weiss es; aber ich wäre dadurch
elend geworden. Ach, warum sollten sie mich hassen? Ich
habe keinen Vater, keine Mutter, weiss nicht, wer sie waren,
wo sie lebten, wo sie starben -). Man sagt, der Geheimrat
wüsste Alles. — Statt der Antwort werde ich Sie umarmen.
Auf der Grenze heiligt ein Priester unsere Liebe. Talent und
Fleiss streben gegen den Mangel. Unsere Herzen sind eins!
Ich weiss, Sie kommen, obgleich nichts verabredet ist. Ich
warte bis morgen. Bleiben Sie aus, so leite Gott ") und die
Tugend mein Schicksal! Ich werde nicht zurückkehren4)."
Dieser Brief ist eigentlich nichts weiter als eine Anreihung
von Rührmotiven. Wenn man ferner bedenkt, dass durch diesen
Brief ein junger Mann, der unschuldig in den Verdacht des
Diebstahls und der Entführung des Mädchens gekommen war,
von diesem Verdachte gereinigt wird, so ist leicht zu erkennen,
dass er ebenfalls abgefasst war, um die Rührstimmung zu
erhöhen. In dem Schauspiele ..Alte und neue Zeit" wird die
Gattin gezwungen, das Haus ihres Mannes zu verlassen; sie
schreibt ihm 5), indem sie ihm 3000 Thaler, die er ihr zuge-
wiesen hat, zurücksendet, folgenden Brief:
„Ich klage über niemand; es ist nun so. Die Einlage
gehört unsern Kindern. Ich will arbeiten, beten und sterben.
Lebe wohl!"
In demselben Schauspiele schreibt der Bräutigam an das
Mädchen, das er vorher zur Ehe begehrt hatte 6):
„Mamsell! Ihre Armut würde mich jetzt nicht abhalten,
Ihnen noch meine Hand anzubieten. Allein Ihre wenige
Achtung gegen Ihre würdige Mutter zeigt mir, wie unglück-
lich ich geworden wäre. Bessern Sie sich, und dann mache
9 Rührmotiv: Dankbarkeit.
2) „ Verwaist.
3) „ Frömmigkeit.
4) „ Abschied auf immer.
5) Alte und neue Zeit, IV. 14.
6) Alte und neue Zeit, V. 11.
thäter ist ewig *), wie meine Liebe für die Gräfin. Sie wollten
mich glücklich machen, ich weiss es; aber ich wäre dadurch
elend geworden. Ach, warum sollten sie mich hassen? Ich
habe keinen Vater, keine Mutter, weiss nicht, wer sie waren,
wo sie lebten, wo sie starben -). Man sagt, der Geheimrat
wüsste Alles. — Statt der Antwort werde ich Sie umarmen.
Auf der Grenze heiligt ein Priester unsere Liebe. Talent und
Fleiss streben gegen den Mangel. Unsere Herzen sind eins!
Ich weiss, Sie kommen, obgleich nichts verabredet ist. Ich
warte bis morgen. Bleiben Sie aus, so leite Gott ") und die
Tugend mein Schicksal! Ich werde nicht zurückkehren4)."
Dieser Brief ist eigentlich nichts weiter als eine Anreihung
von Rührmotiven. Wenn man ferner bedenkt, dass durch diesen
Brief ein junger Mann, der unschuldig in den Verdacht des
Diebstahls und der Entführung des Mädchens gekommen war,
von diesem Verdachte gereinigt wird, so ist leicht zu erkennen,
dass er ebenfalls abgefasst war, um die Rührstimmung zu
erhöhen. In dem Schauspiele ..Alte und neue Zeit" wird die
Gattin gezwungen, das Haus ihres Mannes zu verlassen; sie
schreibt ihm 5), indem sie ihm 3000 Thaler, die er ihr zuge-
wiesen hat, zurücksendet, folgenden Brief:
„Ich klage über niemand; es ist nun so. Die Einlage
gehört unsern Kindern. Ich will arbeiten, beten und sterben.
Lebe wohl!"
In demselben Schauspiele schreibt der Bräutigam an das
Mädchen, das er vorher zur Ehe begehrt hatte 6):
„Mamsell! Ihre Armut würde mich jetzt nicht abhalten,
Ihnen noch meine Hand anzubieten. Allein Ihre wenige
Achtung gegen Ihre würdige Mutter zeigt mir, wie unglück-
lich ich geworden wäre. Bessern Sie sich, und dann mache
9 Rührmotiv: Dankbarkeit.
2) „ Verwaist.
3) „ Frömmigkeit.
4) „ Abschied auf immer.
5) Alte und neue Zeit, IV. 14.
6) Alte und neue Zeit, V. 11.