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D ie andinen Gebiete Perus und Boliviens waren in vorspanischer Zeit reich an Stein-
bauwerken. Das beweisen die dort allenthalben noch vorhandenen Ueberreste derselben. Aber
nirgends sehen wir bearbeitete Steinblöcke und Bildsäulen von so beträchtlicher Grösse und in so
grosser Zahl vereinigt, wie in dem klimatisch rauhen Hochthale von Tiahuanaco. Wir ge-
winnen durch dieselben den Eindruck, hier auf den Trümmern einer Kulturstätte zu stehen,
welche die Blüthezeit eines thatkräftigen und begabten Volkes kennzeichnet.

In dieser Hinsicht darf die Ruinenstätte von Tiahuanaco unstreitig als die merkwürdigste
aller auf südamerikanischem Boden aufgefundenen betrachtet werden. Sie ist es aber nicht
nur wegen der Menge und Grösse der monolithischen Ueberreste, sondern vor allem durch die
seltsamen, architektonisch räthselhaften Formen, die uns viele der noch erhaltenen Werke
vorführen.

Die Geschichte Tiahuanacos ist in ein tiefes Dunkel gehüllt.

Vielseitige Beachtung wurde der Ruinenstätte seit ihrer Auffindung zu Theil. Dem-
entsprechend ist die Literatur über dieselbe, im Laufe der Jahrhunderte, zu einer verhältniss-
mässig umfangreichen herangewachsen: datirt doch die älteste der Ueberlieferungen bis in das
zweite Jahrzehnt nach der Besitzergreifung Perus durch die Spanier zurück. *•

Und diese erste Kenntniss der Alterthümer von Tiahuanaco verdanken wir einem eifrigen
und fähigen Beobachter, dem spanischen Historiker Pedro de Cieza de Leon, gleichsam
dem Herodot des Neuen Continentes; denn wahrheitsvoll in der Vorführung alles Selbster-
lebten, verschmäht er auch nicht, phantastisch ausgeschmückte Erzählungen Anderer wieder-
zugeben.

Cieza's schlichter, inhaltsreicher Bericht über das, was er dort mit eigenen Augen ge-
sehen — er schildert uns Tiahuanaco beinah so, wie es noch heute vor uns liegt: als Ruinen-
stätte — ist doppelt werthvoll, denn die Aufzeichnungen aller späteren Reisenden, welche die
Berühmtheit des Ortes von nah und fern anzog, tragen fast ausnahmslos den Stempel ober-
 
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