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Jene Grundansicht ist jedoch irrig. Es scheint, dass die Be-
stimmung der grossen Steineinzäunung zu religiösen Zwecken
kaum in Frage gezogen werden darf. Allein dass auch ver-
schiedene anders benannte Haupttheile der Ruinen wahr-
scheinlich gleichfalls diese Bestimmung hatten, wird ein Er-
gebniss der nachfolgenden Betrachtungen bilden. Es muss
darum auch als unrichtig die Bezeichnung der grossen Stein-
einzäunung als „Tempel" katexochen abgelehnt werden.

Der indianische Name Ak-kapana ist noch nicht länger
als 23 Jahre in der Literatur vorhanden.1) Der Name ge-
hört nicht, wie alle früheren Autoren angegeben haben, dem
Berge, sondern der grossen Steineinzäunung an.2) Auch
scheint uns, der Aussprache nach, die richtige Schreibart
Ak-kapana, nicht Acapana oder Akapana zu sein.3)

L. Angrand und Hr. Wiener haben angenommen,
dass der Name erst seit ca. 30 oder 35 Jahren existirte,
da ihn der erstere 1849 in Tiahuanaco nicht gehört haben
will. Dieser Schluss täuscht, wie schon von J. J. v. Tschudi4)
hervorgehoben worden ist.

Die Etymologie des Namens ist unbekannt.5) Es steht
nicht einmal vollständig fest, ob er aus dem Ketschua oder
aus dem Aimarä zu erklären ist. Er erinnert allerdings an
den Namen des incaischen Baumeisters Acahuana Inca, welcher
nach Garcilaso6) an den Bauwerken von Tiahuanaco mit
thätig gewesen sein soll, und klingt im zweiten Bestandtheil
an den in Peru häufigen Ortsnamen Cabana7) an, welcher
auf Ketschua kahua, sehen, zurückgeht und eigentlich Aus-
sichtspunkt, Belvedere, bedeutet.8)

Ak-kapana bildet jetzt eine öde, mit Steinen eingegrenzte
Fläche. Es theilt mit den Stonehenges Englands ebenso sehr
das allgemeine Ansehen wie den weit vorgeschrittenen Zu-
stand der Zerstörung. Dass Ak-kapana einst mehr war, als
was es jetzt darstellt, geht aus vereinzelten Resten hervor,
welche früher hier vorhanden waren, oder noch hier gefunden
werden. Von dem Inneren von Ak-kapana sagt Cieza an-
scheinend: ,muchas destas piedras que digo, estan labradas de
diferentes maneras: y algunas dellas tienen forma de cuerpos
de hombres, que deuieron ser sus ydolos'. A. d'Orbigny
sah in Ak-kapana einen sonderbaren Stein, welcher mit einer
eigenthümlichen Figur bedeckt (,couverte') war. Von hier
brachte er die Statue mit nach Europa, welche in seinem
Atlas auf Taf. 10 unter Fig. 1—2, und die kleine „sphinx"-
artige Darstellung, welche von ihm auf Taf. 11 oben ab-
gebildet ist. In Ak-kapana sah er noch Bruchstücke von
weiteren derartigen Darstellungen, welche ihn zu der An-
sicht, dass sie für die Bestimmung von Ak-kapana charak-
teristisch waren, zu berechtigen schienen. Hr. Middendorf
erhielt hier zwei Pfeilspitzen. Noch jetzt finden sich hier

1) Zuerst angewendet 1809 in dem Reisewerk von J. J. v. Tschudi, welcher
1852 in Tiahuanaco weilte, seitdem wieder erwähnt von Hrn. Wien er, Hrn. Ber u. a.

2) J. v. Tschudi bezeichnete irrig die grosse Steineinzäunung als El
Fuerte, „Festung" (siehe Berg), und den Berg als Ak-kapana. Tschudi's Be-
schreibung der Ruinenstätte zeigt leider überhaupt an vielen Stellen die Zeichen
der Flüchtigkeit seines Besuches.

3) J. v.Tschudi schrieb im ReisewerkApacana, in den Culturhistorischen und
Sprachlichen Beiträgen immer (p. 207 und 211) Apakana. Es beruht diese Schreib-
art wohl auf einem Versehen, denn eine der Etymologien (Beiträge p. 207), welche
er für den Namen Apakana angiebt, passt nur zu der Form Akapana.

4) Beiträge p. 207.

5) Haltlos ist die Identificirung des Namens mit: Ketschua ,akapana', licht-
gesäumte oder röthliche Wolkenstreifen (Hr. Ber, Bull, de la Soc de Geogr. 1S82,
p. 587 und Tschudi, Beitr. p. 207, cf. Tschudi, Wörterbuch p. 4). Die Etymologie
bei Tschudi, Beiträge p. 211, aus Bestandtheilen des Aimarä (hapa, Kind, ccana,
Licht) knüpft an die irrige Form Apakana an.

6) Oben p. 4.

7) Dahin gehört auch Copacahana. Ramos, Historia de Copacabana p. 45,
(Jopacahana: Das (blaue) Steinidol, von dessen Standort man Aussicht über den
Titicaca-See hatte.

8) v. Tschudi, Wörterbuch p. 182. Auch der Name Pumapungu der süd-
lichen Ruinengruppe stammt aus dem Ketschua.

die Bildsäule Taf. 31 Fig. 1 und die grosse Lavaplatte Taf. 38
Fig. 24.9) Die westlichen Pfeiler des gegenwärtigen Stone-
henge zeigen vertiefte Ausarbeitungen, welche ihre einstige
Verwendung als Glieder von architektonischen Constructionen
deutlich erkennen lassen. Riesige pfeilerartige Blöcke lagern
in der Nähe der Ränder der mittleren Vertiefung.10) Um
alle diese Reste als Spuren einer früher in Ak-kapana be-
standenen Ordnung verständlich zu machen, bedarf es der
Vorstellung von Ak-kapana als einem mit Erzeugnissen cul-
tureller Art reich und mannigfaltig ausgestatteten Werke, in
einer Weise, dass sich die Phantasie von dem heute in Ak-
kapana gebotenen Bilde dazu nur mit Mühe aufschwingt.

Um Ak-kapana richtig zu verstehen, ist also Phantasie
vielleicht nicht ganz entbehrlich. Den Reisenden ist dies
nicht entgangen. Allein sie haben ihren eigenen schweifenden
Gedankenfast regelmässig irrige Wege gewiesen. A. d' Orbigny
sprach von Ak-kapana als von Fundamenten eines Gebäudes,
vor welchem im Westen eine lim breite Galerie sich hin-
ziehe. Squier dachte bei der Bodenerhebung von Ak-kapana
an ein (wahrscheinlich künstliches) ,Terre-plein', welches er
durch früher vorhandene, jetzt zerstörte Mauern an allen
vier Seiten früher zusammengehalten glaubte.11) Die mittlere
Vertiefung hielt er für eine früher von Wänden eingeschlossene
innere Cella des Heiligthumes Ak-kapana. Hr. Inwards12)
stand unzweifelhaft unter der Gewalt des irrigen Eindruckes,
dass das heutige Ak-kapana die Grundlinien eines viel-
winkeligen und mehrgliederigen Gebäudes zeichne. Von
einem Gebäude im Inneren von Ak-kapana spricht auch Hr.
Middendorf.

Man wird nicht daran denken dürfen, ein eingehenderes
Bild von dem, was Ak-kapana in alter Zeit darstellte, zu
entwerfen, ehe nicht der thatsächliche Bestand der noch vor-
handenen Reste völlig klargestellt ist. Derselbe widerspricht
schon in dem, was bis jetzt von ihm bekannt geworden ist,
den herrschenden Ansichten.

Länge und Breite des grossen Viereckes von Ak-kapana
sind verschieden angegeben worden, am abweichendsten von
d'Orbigny und Hrn. Mitre, während sich die Angaben von
Squier und Hrn. Inwards den unserigen nähern.13)

Ebenso schwanken die Angaben über die Grösse der
Vertiefung im Innern, zum Theil schon deswegen, weil sich
die ungenauen Ränder derselben wenig zur Abnahme genauer
Masse eignen. Dazu kommt, dass nach Squier und Hrn. In-
wards die Vertiefung bis zum Ostrande durchreicht, diesen
Reisenden also schon deswegen länger erschien.14)

Der Boden von Ak-kapana erhebt sich nach Squier
ca. 8' 2.40 m über die umgebende Ebene.

Dies ist vielleicht für einzelne Stellen von Ak-kapana
richtig, jedoch keineswegs für ganz Ak-kapana, dessen Boden
an verschiedenen Stellen verschieden hoch liegt. Zu bedeu-

9) Das monolithische Thor Taf. 5 scheint früher an einem anderen Orte sich
befunden zu haben.

10) Taf. 3 Fig. 1.

11) Hr. Mitre hielt die Bodenerhebung von Ak-kapana für eine künstliche,
über einer Täfelung von Steinen errichtete.

12) l. c, p. 1(J und PI. 2.

13) Eine Tabelle wird am besten die vorhandenen Massangaben verstehen
lassen:



d'Orbigny

Squier

.Mitre

Inwards
nach d. Plan

Taf. 2

Länge von Ak-k.
Breite von Ak-k.

175 m
175 m

445' = 135 m
388'= 118 m

ca. 200 varas
= ca. 170 m
woniger

ca. 140 m
ca. 120 m

123 m
113 m

14) D'Orbigny gab der Vertiefung 70 m Länge und Breite, Squier 280'
= ca. 85 m Länge, 190' = ca. 57 m Breite; ähnliche Masse finden sich bei Hrn.
Inwards. Squier will Mauerspuren an drei Seiten der Vertiefung wahrgenommen
haben, welche von anderer Seite noch nicht constatirt sind.

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