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STEINBILDWERKE.

Tiahuanaco verdient nicht nur um seiner architekto-
nischen Reste willen, sondern auch wegen der grossen Zahl
von steinernen Bildsäulen, welche bei den Ruinen gefunden
worden sind, eine der interessantesten Stätten der vorcolum-
bischen Cultur Perus genannt zu werden.

Gegenwärtig sind allerdings nur noch wenige der Bild-
säulen auf der Ruinenstätte vorhanden. Die Bildsäule Tafel 31
Figur 1 steht in der Südwestecke von Ak-kapana.1) Die
Bildsäule ,E1 Fraile' liegt östlich vom Berge (im Plane
Tafel 2 : r). Ziemlich isolirt ragt die Bildsäule Tafel 32 Figur 1
(im Plane n) aus der Ebene hervor, und bei Pumapungu
befindet sich die Bildsäule Tafel 31 Figur 2, welche von
den Reisenden bald als eine stehende2), bald als eine
liegende3) bezeichnet worden ist.

Im Dorfe Tiahuanaco sind jetzt etwa 7 Bildsäulen
(Taf. 32 Fig. 1 und 2, 4 bis 6, und Taf. 33 Fig. 1 und 2)
zu finden4), welche von der Ruinenstätte dahin überführt
worden sind.

Die Zahl der Bildwerke jedoch, welche früher auf der
Ruinenstätte vorhanden gewesen sind, ist eine weit grössere.
Lassen sich doch schon jetzt über 20 grössere Bildwerke
dieser Art zusammenzählen.

Wir stellen dieselben in Folgendem mit kritischer
Ordnung der Nachrichten, welche über sie vorliegen, zu-
sammen.

1. Kopf einer grossen Bildsäule, nach A. d'Orbigny
bis zum Kinn abwärts 1.20 m hoch und 0.70 m breit.6)
D'Orbigny's Masse pflegen nie ganz zuverlässig zu sein.
Unstreitig besitzt aber der Kopf eine colossale Grösse. Durch
diese ist er bekannt und berühmt geworden. J. v. Tschudi")
hat ihn bei Collocollo gesehen, anscheinend auch F. de Ca Stei-
nau.7) Jetzt steht er in der Alameda zu La Paz.8)

Die Tafel 35 ist der vergleichenden Zusammenstellung
früherer Abbildungen dieses Kopfes gewidmet. Ausserdem
sind die wichtigsten Daten zu der Geschichte des Kopfes seit
der Zeit, wo ihn A. d'Orbigny östlich vom Berge sah, in
der Tafelbeschreibung gegeben.9)

1) Die Statue ist zwischen 1877 und 1884, in welchem letzteren Jahre Hr.
Hettner die Ruinenstätte besuchte, aufgerichtet worden.

2) A. Stübel 187C.

3) Hr. Inwards 1866 (The Temple of the Andes PL 9, B). Ebenso will Hr.
Wiener, welcher im Jahre 1877 die Ruinenstätte besuchte, die Bildsäule liegend
gefunden haben (Perou et Bolivie p. 431). Doch bildete er sie als stehende ab.

4) Angrand soll nach G.Squier, Peru p. 297, mittheilen, dass im Dorfe
Tiahuanaco 8 Bildsäulen vorhanden seien. In seiner Schrift ,Lettre sur Tiahuanaco'
findet sich keine derartige Angabe.

5) Voyage III, 1, p. 342.

6) Reisen in Südam. V, p. 287.

7) Expedition, III, p. 389.

8) Hr. Middendorf, Die Aimarä-Sprache p. 29—30.

9) Wenn man nach den Verhältnissen, welche der Kopf in der stilistisch
ähnlichen Darstellung Tafel 31 Fig. 1 im Verhältnisse zur ganzen Figur hat, ur-
theilt, müsste die ganze Figur ca. 4 m Höhe besessen haben. Der Rumpf der
Figur kann vielleicht noch gefunden werden (Taf. 2. p, und oben p. 20a).

Das Material des Kopfes dürfte ein vulkanisches Gestein sein, da d'Or-
bigny dasselbe als Trachyt bezeichnet hat. Auf einem Irrthume beruht ohne
Zweifel die Angabe Hrn. Middendorfs, das Material sei Diorit, da Diorit auf
der Ruinenstätte nirgends verwendet ist.

Hr. Middendorf giebt an, die ganze Figur, von welcher der Kopf her-
rührt, befinde sich in La Paz, und nur deren Kopf in der Alameda daselbst. Dies
ist ein Irrthum.

Hr. Mitre, 1. c. p. 12, will das Bildwerk zwischen Tiahuanaco und La
Paz gesehen haben. Er beschreibt es aber unrichtig, wodurch der Beweis geliefert
ist, dass er es überhaupt nicht gesehen, nur eine andere Beschreibung missverstanden
und reproducirt hat. Denn er unterscheidet das Bildwerk von dem Colossalkopf,
welchen d'Orbigny beschrieb (p. 40), und schildert es als ein in der Mitte ent-
zwei gebrochenes Idol, im Charakter der Bildsäulen No. 2 und 4, aber kleiner

2. Die grosse Bildsäule Tafel 31 Figur 1 an der Süd-
West-Ecke von Ak-kapana, mit dem Sockel über 3 m, ohne
denselben über 2.30 m hoch.

3. Die grosse Bildsäule, Tafel 31 Figur 2 bei Pumapungu,
mit dem Sockel 2.70, ohne denselben über 2.20 m hoch.10)

4. Eine grosse Bildsäule, im Charakter der vorigen,
befindet sich im Museum in La Paz.11) Sie misst, der Angabe
nach, ca. 3 varas = ca. 2.50 m in der Höhe und ca. 1j3 vara
= ca. 0.40 m in der Breite. Diese Statue ist, freundlicher
Mittheilung nach, auch Hrn. Künne bekannt. Vielleicht
befindet sich an dem genannten Orte in La Paz ausserdem
noch eine andere.12)

5. Eine junvollcndetc' Bildsäule im Charakter der vorigen,
1.75 m hoch, abgebildet und besprochen von A. d'Orbigny.13)
Die Statue soll nicht weit von dem grossen Kopfe Nr. 1
gelegen haben.14)

G. Torso einer Bildsäule, in ähnlicher, aber von den
vorigen etwas abweichender Darstellung, ca. 0.90 m hoch,
von d'Orbigny in derselben Gegend gefunden. Das Ma-
terial soll schwarzer Basalt15) gewesen sein.1(i)

7. Kleiner Kopf aus „schwarzem Basalt", von ähnlichem
Charakter wie Nr. 1, Nr. 2 u. s. w., nur ca. 0.14 m hoch, und
darum wohl einer Bildsäule von nur ca. 40—45 cm Grösse ent-
stammend. Er ist von A. d'Orbigny mit nach Europa gebracht
und in seinem Reisewerke beschrieben und abgebildet worden.17)

8. Kleiner, ähnlicher Kopf, etwas grösser, aber stark
verletzt. Er wurde von Hrn. Hettner in Tiahuanaco er-
worben und ist in den Besitz des Museums für Völkerkunde
zu Berlin übergegangen.

9. Die grosse Bildsäule Tafel 32 Figur 3, bei n, Tafel 2,
südlich vom Berge liegend, mit dem Sockel 3.25, ohne
denselben ca. 2.40 m hoch.

10. Die Bildsäule Tafel 32 Figur 6, welche im Jahre 1877
an der Westseite der Plaza von Tiahuanaco als Bank diente.
Sie misst mit dem Sockel 1.58, ohne denselben ca. 1.20 m
in der Höhe.

11. Die Bildsäule Tafel 32 Figur 7, bei r, Tafel 2, östlich
vom Berge, ca. 1.80 m hoch (Schiefer).

12 und 13. Zwei kleine bildliche Darstellungen, inhaltlich
und im Stile der Hauptfigur des Monolith-Thores von Ak-
kapana ähnlich, jedoch in der Ausführung einfacher, ca.
\ Meter hoch. Sie wurden gleichfalls durch Hrn. Hettner
dem Museum für Völkerkunde zu Berlin übergeben.18)

als diese (p. 12 und 40). Die beiden von Hrn. Mitre in dieser Weise aus ein-
ander gehaltenen Bildwerke sind zu identificiren.

Grundlos ist die Vermuthung Hrn. Wien er's p. 432, dass die Statue, von
welcher der Colossalkopf ein Theil ist, einst den Berg gekrönt habe.

10) Grundlos vermuthet Hr. Wiener (p. 432), die Statue habe früher in
Pumapungu auf dem Walle gestanden.

Hr. Mitre p. 39 erwähnt eine Statue aus Trachyt im Charakter von No. 1,
welche nicht weit von dem Monolith-Thor von Ak-kapana liegen soll. Damit ist
vielleicht No. 2 oder vielleicht No. 3 gemeint. Eine andere Statue kann nicht in
Frage kommen. Das für die Statue angegebene Material ist aber dann irrthüni-
lich bestimmt.

11) Hr. Mitre p. 12 und 40.

12) Squier, Peru p. 297.

13) Voyage 1. c. p. 342, Atlas PL 11 (yM der nat. Grösse).

14) Hier befindet sich jetzt noch No. 11, Taf. 32 Fig. 7.

15) Schwärzliche Andesitlava?

16) D'Orbigny, Voyage p. 343, 460, Atlas PI. 11 (unten).

17) Voyage p. 342 und 460, Atlas PL 11 (Mitte).

18) Das Museum für Völkerkunde zu Berlin besitzt ausserdem noch andere
bildliche Darstellungen aus Stein von Tiahuanaco, gleichfalls durch Hrn. Hettner.

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