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Somit haben sich bis jetzt nur noch nicht an den Steinen
Tafel 36 Figur 1, Tafel 37 Figur 19 und Tafel 38 Figur 26
sichere Kennzeichen für ihre architektonische Verwendung
ergeben. Wir werden gleichwohl auch für sie diese Ver-
wendung annehmen dürfen.1) Für Blöcke wie Tafel 38
Figur 26 lässt sich, so räthselhaft sie uns darnach erscheinen
müssen, eine andere Verwendung als zu architektonischen
Zwecken überhaupt nicht denken. Es kommt dazu, dass
Blöcke wie Tafel 38 Figur 26 und Tafel 37 Figur 19 die
scheinbar unregelmässig gehäuften winkelförmigen Ausarbei-
tungen mit anderen Blöcken theilen, deren architektonische
Bestimmung nicht zu bezweifeln ist, wie z. B. die Blöcke
Tafel 36 Figur 6 und Tafel 38 Figur 23, nur mit dem
Unterschiede, dass die Häufung der scheinbar unregelmässigen,
winkelförmigen Ausarbeitungen bei ihnen eine viel stärkere
ist. In ihrem wesentlichen Merkmale sind also diese
beiden Blöcke von jenen anderen, deren architektonische
Natur nicht zu bezweifeln ist, nur graduell, nicht principiell
verschieden. Um so weniger sehen wir die Möglichkeit vor
uns, die architektonische Bestimmung solcher Blöcke wie
Tafel 37 Figur 19 und Tafel 38 Figur 26 noch zu bezweifeln.

Bis jetzt ist nur festgestellt worden, dass viele Blöcke
der Ruinenstätte zu architektonischen Zwecken bestimmt
waren, nicht jedoch, in welcher Weise man sich die archi-
tektonische Verwendung derselben zu denken hat.

Wir sind noch weit davon entfernt, alle Eigenartig-
heiten der Architektur der Ruinenstätte erklären zu können.
Es giebt vielleicht auf der ganzen Erde nicht noch einmal
eine Architektur, in welcher so eigenthümlich geformte Blöcke
wie Tafel 38 Figur 26 zur Verwendung gekommen wären.
Es mag darum als verzeihlich gelten, wenn wir nicht zugleich
im Stande sind, auch im Einzelnen die Zweckmässigkeit ihrer
Gestalt anzugeben.

Hinsichtlich derartiger Blöcke können wir zur Zeit nur
auf den Scharfsinn hinweisen, auf welchen solche uns wirr
scheinende, in Wahrheit aber sicherlich in sich geordnete Aus-
arbeitungen schliessen lassen. Eine sehr sichere Beherrschung
genauer Massverhältnisse muss ausserdem mit der Feststellung
des Planes so mannigfaltig in einander greifender und von
einander abhängiger Arbeiten verbunden gewesen sein.

Wir sind überhaupt noch nicht im Stande, für die
winkelförmigen Ausarbeitungen, — wie sie sich an den Steinen

Zinn oder Blei) ausgefüllt werden sollten. Der Gebrauch von Metallklammern
zur Verbindung der Steine lässt sich für das peruanische Alterthum nachweisen.
Betänzos erzählt Cap. 11, dass hei dem Baue des Sonnentempels, welchen Inca
Yupanqui unternahm, in Cuzco sich Folgendes ereignete: ,Y al tiempo que
la edificaban, estando asentando cierta piedra, quebröse de la juntura de la tal
piedra un pedazo como tres dedos en ancho y largo, y mandö Inca Yupanqui que
luego fuese alli derretida cierta plata y vaciada de tal manera en la piedra y
quebrado dello, que viniese al justo de lo que la piedra se quebrö; todo lo cual
era de canteria, y la juntura de la tal canteria de piedra con piedra era tan
sotilmente asentado, que parescia raya hecha con un clavo en una piedra.'

Auch in Ollantaitambo mag die Verbindung der Steine durch Metallklammern
üblich gewesen sein. Dort finden sich Steine mit Klanimervertiefungen von der
Art wie in Tiahuanaco (Squier, p. 500). Cieza aber (Chronica Cap. 94) erzahlt
Folgendes: ,Sin esto se dize por cierto, que en estos edificios de Tambo, o de otros
q tenian este nombre (que no es solo este lugar el que se Hämo Tambo) se hallo
en cierta parte del palacio real, o del templo del Sol, oro derretido en lugar de
mezcla, con que juntamente con el betun que ellos ponen, quedauan las piedras
assentadas vnas con otras. Y que el gouernador don Francisco Picarro vuo deste
mucho, antes que los Indios lo deshiziessen y Ueuassen, y de Facaritambo dizen
algunos Espanoles, que en vezes sacaron cantidad de oro Hernando Picarro, y don
Diego de Almagro el moco.'

Klammervertiefungen gleicher Form finden sich auch an den Steinen alt-
griechischer Bauwerke, z. B. in Olympia, und (nach W. Lübke, Geschichte der
Architektur 1884, I p. 221) am Erechtheion in Athen. Gleiche architektonische
Bedürfnisse haben in diesem Falle in Amerika und in Griechenland zu einer auf-
fallend übereinstimmenden Wahl der technischen Mittel geführt, so die Gesetz-
mässigkeit der menschlichen Denkentwickelung erweisend.

1) Der Stein Tafel 36 Fig. 1 stimmt mit dem architektonischen Steine Figur 2
derselben Tafel genau in der Höhe, der Stein Tafel 38 Figur 20 entspricht in den
Ausarbeitungen t1 bis t3 einer seiner Schmalseiten genau dem architektonischen
Steine (Thorpfeiler) Tafel 38 Figur 22 (mit den Ausarbeitungen t1 bis i4).

Tafel 38 Figur 23 und 26, Tafel 37 Figur 19, Tafel 39
Figur 27 und 30, bei t1 bis t1 am Steine Tafel 38 Figur 22
(Thorpfeiler), bei T1, T2 und t2 am monolithischen Thore
von Ak-kapana u. s. w. finden, — auch nur im Allgemeinen
anzugeben, welchen Zwecken sie dienen konnten. Sie erin-
nern wohl wegen der Unregelmässigkeit in der Anordnung
der Ausarbeitungen, welche für unser Auge vorhanden zu sein
scheint, an die unregelmässigen polygonalen Blöcke kyklo-
pischer Bauten. Doch dürfen sie mit diesen in Bezug hierauf
nicht verglichen werden. Die unregelmässige polygonale Form
der Blöcke kyklopiscber Bauten ist durch die unregelmässige
ursprüngliche Gestalt der zur Verarbeitung verwendeten Ge-
röllblöcke bedingt. Sie entspringt also weniger architekto-
nischen Absichten, als Erfordernissen des Materiales und der
Technik des Steinmetzes. Dagegen die winkelförmigen, regel-
mässigen, nur in ihrer Anordnung unregelmässig scheinenden
Ausarbeitungen der Blöcke von Tiahuanaco, sind, wie eine
eingehendere Untersuchung leicht herausfinden wird, nicht
das Ergebniss der Bedingungen des Materiales und der von
diesem letzteren bedingten Technik des Steinmetzes, sondern
allein das Resultat künstlerischer Absicht des Architekten.

Für unser ungeschultes Auge haben alle architektonischen
Blöcke der Ruinenstätte eine befremdliche Gestalt. Wäre da-
gegen unser Verstand und darum auch unser Auge in dieser
Richtung geschult, wie bei den Verfertigern jener Blöcke,
so müssten wir wahrscheinlich die Zweckmässigkeit jener
Formen und deren sinnvolle Einfachheit in hohem Grade
bewundern.

Die architektonischen Blöcke sind in Bezug auf die
Zweckmässigkeit ihrer Ausarbeitungen so schwer zu verstehen,
dass selbst die einfacheren erst nach langer, wiederholter
Beschäftigung mit ihnen, womöglich unter Verwendung von
Modellen, wie sie uns zur Verfügung standen, sich dem
Verständniss zu erschliessen pflegen. Wir wollen nicht ver-
schweigen, dass selbst das Modell eines Blockes, wie Tafel 38
Figur 22, dessen Bestimmung zum Thorpfeiler jetzt gewiss
sehr leicht erkannt wird, monatelang fast täglich durch
unsere Hände ging, ohne dass es uns gelang, die an sich
doch so einfache Bestimmung des Blockes zu erfassen. Aus
diesem Grunde dürfen wir uns wohl erlauben, für das Ver-
ständniss noch einiger anderer Blöcke, deren Bestimmung
uns beinahe ganz klar geworden ist, unseren Beistand zu
leisten, zumal selbst Reisende, deren Beobachtungsgabe wir
anerkennen, in der Deutung der nämlichen Blöcke Irrwege
gegangen sind.

Die Blöcke Tafel 36 Figur 3 bis 6 und Tafel 37 Figur 10
und 12 haben Verwandschaft mit einander. Sie besitzen
die gleiche Höhe (ca. 1 Meter). Sie zeigen (mit Ausnahme
von Tafel 36 Figur 6) zum Theil zwei über einander gestellte
Nischen (Tafel 36 Figur 3 bis 5), zum Theil vertiefte Kreuze
(Tafel 37 Figur 10 und 12) an ihrer Vorderseite als Ver-
zierungen, falzartig ausgearbeitete Ränder, und wenigstens
zum Theil Console en Miniature, welche nach ihren schmalen
Seiten zu gerichtet sind.

Es ergiebt sich weiter, dass sich die Steine Tafel 36
Figur 5 und 6 in der Gliederung einer ihrer schmalen Seiten
besonders gleichen, dagegen die Steine Tafel 36 Figur 3 und 4
und Tafel 37 Figur 10 und 12 sowohl nach ihrer Stärke, als
auch in der Gliederung ihrer Seiten, eine engere Zusammen-
gehörigkeit bekunden.

Wir schliessen nun die Blöcke Tafel 36 Figur 5 und 6,
als Theile einer immerhin abweichenden (Jonstruction, aus.

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