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DIE TECHNIK DER STEINARBEITEN.

Alle Reisende, welche bisjetzt die Ruinenstätte besuchten,
haben über die Technik gestaunt, welche sich an den be-
arbeiteten Steinen zu erkennen giebt.

Die verwendeten Gesteinsarten zeigen verschiedene Härte-
grade. So kann der in Betracht kommende Sandstein,
obgleich er zu den festeren seiner Classe gehört, immerhin
als ein verhältnissmässig weiches, nicht allzu schwer zu
bearbeitendes Material gelten, wählend die vorkommenden
Varietäten eruptiver Gesteine in der Mehrzahl zu den harten
und zähen zu rechnen sind. Auch unter den letzteren nimmt
man bedeutende Unterschiede wahr. Einige von den um-
herliegenden unbearbeiteten Blöcken bestehen aus ziemlich
bröckeligem Materiale, während gerade die Andesitvarietäten
der bearbeiteten Stücke eine so grosse Härte und Zähig-
keit aufweisen'), dass wir sie zu den sehr schwer zu be-
arbeitenden Gesteinen zählen müssen.

Es ist erstaunlich, wie vollständig diese harten Gesteine
von der Technik bezwungen worden sind. Ja, es scheint,
dass gerade für die künstlichere Ausarbeitung die Blöcke mit
einer gewissen Vorliebe unter den härteren vulkanischen Ge-
steinen ausgesucht wurden. So besteht gerade das monolithische
Thor von Ak-kapana, welches, wie schon ausführlich erörtert
worden ist, ein so kunstvolles, vielgliederiges und technisch
vollendetes Relief besitzt, aus harter andesitiscber Lava.

In Anbetracht der Beschaffenheit eines grossen Theiles
des bearbeiteten Materiales drängt sich auf dieser Ruinen-
stätte ausser dem architektonischen, auch ein technisches
Problem auf. Es scheinen die den alten Peruanern zu Gebote
stehenden technischen Mittel, insoweit wir dieselben kennen, in
keinem Verhältnisse zu der Höhe ihrer Leistungen zu stehen.

Dieses Problem kann nicht in der einlachen Weise
gelöst werden, wie es von Hrn. Hostmann versucht worden
ist,2) indem er argumentirte: Da wir nur mit Stahl und
Eisen derartige Gesteine zu bezwingen verstehen, so müssen
auch die alten Peruaner Stahl und Eisen zu deren Bear-
beitung verwendet haben.3) Dieser Schluss ist nicht zutreffend,
und wir dürfen überhaupt nicht immer unsere Kulturzustände
als Massstab bei der Beurtheilung derjenigen anderer Völker
anlegen. Verstehen wir doch auch bekanntermassen manches
technische Verfahren anderer Völker nicht nachzuahmen.4)

Zur Beurtheilung der Verfahrungsweisen, welche in der
Bearbeitung der Steine angewendet worden sind, bieten sich
uns die Aufschlüsse von vier verschiedenen Seiten dar: Kriterien,
die sich aus den Formen der vorhandenen Steinblöcke er-
geben; Berichte der Schriftsteller über die Technik der

1) Oben p. 40 Anm. 2.

2) Chr. Hostmann in L. Beok's Geschichte des Eisens 1884, I 357.

3) Eine unangebrachte Bestimmtheit spricht aus dem folgenden Satze der
Abhandlung Hrn. Hostmann's: „Solch gigantischen Unternehmungen (wie in
Tiahuanaco) gegenüber, in denen deutlich der Geist eines Volkes sich ausprägt,
das in der Bewältigung der härtesten Felsmassen kein Hinderniss, sondern geradezu
seine ganze Befriedigung finden musste, mit banalen Phrasen: dass auch der Tropfen
den Stein aushöhle, dass die Zeit keinen Werth hatte, und was dergleichen mehr
ist; oder gar durch Andeutungen, dass man mit Schleifmitteln auskommen konnte, . .
sich hinwegsetzen wollen über das absolute Erforderniss von stählernen Werk-
zeugen, ist wahrlich mehr als — Pedanterie!"

4) Eine Widerlegung der Abhandlung des Hrn. Hostmann, „Das Eisen in
Amerika", ist schon von Hrn. Andree in den Mittheil, der Anthropol. Gesell-
schaft in Wien 1885 gegeben worden. Stahl war überhaupt, und Eisen wenigstens
als metallurgisches Produkt, den Indianern Amerikas vor der Ankunft von Columbus
unbekannt.

alten Indianer; altperuanische, in den Museen aufbewahrte
Geräthe, und endlich die technischen Handhabungen der
gegenwärtig in Peru und Bolivien lebenden Indianer.

An den bearbeiteten Blöcken ist bezüglich der Technik
Folgendes zu ersehen:

1. Eine vollkommene Beherrschung der andesitischen
Lava in der Ausarbeitung figürlicher Verzierungen in Relief
(Thor von Ak-kapana);

2. Vorzügliche Herstellung der Flächen an den archi-
tektonischen Blöcken, ausgezeichnete, mit genauen Winkeln
versehene Vertiefungen (Nischen, Falze, vertiefte Rahmen
u. s. w.), und scharfe regelmässige Kanten;

3.. Allgemeine Anwendung und meisterhafte Ausführung
rechtwinkeliger Formen;

4. Nie fehlende genaue Einhaltung der richtigen Mass-
verhältnisse.

Aus Nr. 1 bis 4 ergeben sich die allgemeinen technischen
Eigenheiten der bearbeiteten Blöcke.

Dazu sind noch folgende Einzelbeobachtungen hinzu-
zufügen :

5. Die obersten Flächentheile am Relief des Theres
von Ak-kapana sind vollkommen (z. B. der Saum des Mäander-
bandes auf Tafel 20), die tiefer gelegenen in etwas ein-
facherer Weise geglättet (z. B. die innere Fläche des Mäanders
auf Tafel 20). Ungeglättete Flächentheile haben sich den
Einwirkungen der Atmosphärilien zugänglich erwiesen (so
z. B. die Grundfläche zwischen den unvollendeten Figuren
des Reliefs, Beschreibung von Tafel 5 Figur 2). Die Flächen
der Lavablöcke sind sämmtlich geschliffen oder geglättet.

6. Die unvollendeten Sitzflächen des Blockes Tafel 27
Figur 3 sind ausnahmsweise rauh, also müssen alle glatten
Flächen der anderen Sandsteinblöcke, ebenso alle übrigen
des erwähnten Steines, besonders geschliffen worden sein.

7. Die Oberflächen der unvollendeten andesitischen
Blöcke sind von grossen Wülsten und zellenartigen Ver-
tiefungen gebildet (Taf. 40 Fig. 3 und 5). Am Steine Tafel 40
Figur 3 lassen sich ausserdem bereits in roher Anlage die
falzartigen Vertiefungen erkennen, welche der Stein im
fertigen Zustande zeigen sollte.5)

Aus den erwähnten technischen Merkmalen der Blöcke
lässt sich Folgendes entnehmen:

1. aus Nr. 3, dass die Verfertiger der Blöcke ein Hilfs-
mittel besessen haben müssen, mit welchem sie die recht-
winkelige Form immer trafen;

2. aus Nr. 4, dass die Verfertiger sich gewisser Mass-
stäbe bedienten, welche selbst für kleinere Verhältnisse
ziemlich zuverlässig waren;

3. aus Nr. 5 und 6, dass die Steinarbeiter verschiedene
Verfahren gekannt haben, um die Steine zu schleifen und

5) Hr. Hostmann sagtl. c. p. 357, „nach Squier's aufmerksamen Unter-
suchungen" habe „der Meissel überall seine Spuren zurückgelassen." Es findet sich
jedoch bei Squier, Peru, nur folgende Angabe auf welche sich Hr. Hostmann
bezogen haben kann, p. 295: „I have no doubt that these niches had doors,
possibly of bronze, hinged in these sockets, and so firmly that it was necessary
to use chisels (the marks of which are piain) to cut into the stone and disen-
gage them." In dieser Stelle spricht H. Squier von neueren und nicht von alten
Meisselspuren. Letztere sind an den Blöcken bis jetzt noch nirgends festgestellt
worden.

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