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Cultur und Industrie südamerikanischer Völker. Sie sind
auf der Ruinenstätte aufgelesen, und stellen Bruchstücke von
Gefässen incaischer Form dar, die erst durch die Eroberungen
der Inca in Tiahuanaco Eingang erhalten haben können.

Das Vorkommen der Erzeugnisse verschiedener Cultur-
perioden neben einander wird noch dadurch auf der Ruinen-
stätte besonders merkwürdig, dass ein grosser Theil der ältesten
Werke überhaupt nie zur Vollendung gebracht worden ist.
Die dafür reichlich vorhandenen Beweise seien an dieser
Stelle übersichtlich zusammengestellt.1)

Die an den Abhängen des Berges geplanten Anlagen
sind wohl ebenso wenig fertig geworden, wie dies für Puma-
pungu feststeht2); in wie weit das Gleiche vielleicht auch bei
Ak-kapana der Fall gewesen ist, kann erst durch spätere ein-

1) Man vergleiche auch Cieza, Chronica Cap. 105 (oben p. 16), Ondegardo,
bei Hm. Markham, p. 171 (oben p. 4a), J. v. Tschudi, Reisen V p. 293, u. s. w.

2) Oben p. 19 b und 28.

gehendere Untersuchungen entschieden werden. Der Mangel
in der Vollendung der Werke zeigt sich, wie an diesen im
Ganzen, auch an einzelnen Baustücken, so in den unvollen-
deten Sitzflächen des Plateformsteines Tafel 2 7 Figur 3, in
den Blöcken der Tafel 40 von Pumapungu, deren Ausarbeitung
nur angefangen, aber nicht fertig geworden ist, in der Nische
D am Thore von Ak-kapana, in Blöcken, welche nach G.
Squier p. 295—296 nördlich vom Berge und östlich von
Ak-kapana liegen, in den „Piedras Cansadas" zwischen der
Ruinenstätte und dem Ufer des Titicaca-Sees, sowie auch
in den nicht fertig bearbeiteten Blöcken, welche sich nach
G. Squier und Hrn. Forbes noch in der Gegend von
Yunguyo befinden sollen, sofern diese mit für die Werke
von Tiahuanaco bestimmt gewesen sind.

Auch das minder thatkräftige Geschlecht, von welchem
die jüngeren Theile des Thorreliefs herrühren, hat seine
Arbeiten nur begonnen, aber nicht vollendet.

YERGLEICITUNG DER IN TIAHUANACO GEFUNDENEN RESTE MIT ANDEREN

PERUANISCHER VORZEIT.

Die Analogien mit den Resten der Ruinenstätte von
Tiahuanaco sind nicht zahlreich, was der Hauptsache nach
seinen Grund in dem hohen Alter der Bauwerke haben
dürfte. Allerdings würde man solche vielleicht häufiger an-
treffen, wenn mehr Ruinenstätten des alten Peru sorgfältig
untersucht, mehr altperuanische Gräberfelder ebenso syste-
matisch aufgeschlossen wären, wie das von Ancon, und wenn
der religiöse Fanatismus im ersten Jahrhunderte nach der
Eroberung nicht fast alle heidnischen Bildsäulen in Peru ver-
nichtet hätte.1)

Die sonstigen Alterthümer der Umgebung und der Inseln
des Titicaca-Sees sind, trotz G. S q u i e r 's verdienstlicher
Untersuchungen, noch immer ungenügend erschlossen. So
lassen sich denn auch aus diesem Gebiete nur wenige Ana-
logien beibringen.

Das Gefäss Tafel 41 Figur 6 liefert den Beweis, dass
dieselbe Cultur, deren Zeugnisse auf der Ruinenstätte von

1) Von der Menge der Idole, welche im alten Peru verehrt wurden, kann
man sich nur schwer einen richtigen Begriff machen. Der Fanatismus der
katholischen Priester hat es durch seine systematische Vernichtung alles dessen,
was an die heidnische Religion einigermassen erinnern konnte, gleichwohl zu
Stande gebracht, dass fast nirgends mehr etwas davon vorhanden ist. Die Bereisung
grösserer Theile von Peru zu dem Zwecke, die alte Religion auszurotten, wurde
einzelnen katholischen Priestern als Aufgabe gestellt. Es wurden Localcomites
aus Leuten gebildet, welche mit den Verhältnissen ihrer Gegend genau vertraut
waren und denen es oblag, die alten Heiligthümer aufzuspüren, damit man sie
vernichten konnte. Die Söhne der Häuptlinge wurden wegen des blinden Ge-
horsams, welchen ihnen die ganze Bevölkerung zu schenken pflegte, in diese
Comites mit hineingewählt. Dann ging man auf die Suche. In gewissen Zeit-
räumen wurden die Nachforschungen nach den heidnischen Resten an denselben
Orten wiederholt. Auf diese Weise vernichtete man alles Heidnische in den
Distrikten von Huarochiri, Yauyos, Jauja, Andajes, Chinchaycocha. Aehnlich ver-
fuhr man in der Provinz Huaylas (1617) durch den Priester Ramirez. Avila,
welchem von dem Erzbisthum Lima Guamalies, Conchucos und die ganze Gegend
von Huanuco zugewiesen wurden, vernichtete unter Anderem 600 Idole, von welchen
die meisten, wiewohl nicht durchaus grosse, von Stein waren. Ueber die Erfolge
Hernando de Avendaflo's, welcher Vicar von la Collana de Lampas war und
gleichfalls die Aufgabe der Ausrottung der alten Religion in einem Theile Perus
übertragen erhielt, sind wir genau unterrichtet, weil auf den Ergebnissen seiner
Untersuchung hauptsächlich das Werk von J. de Arriaga, Exstirpacion de la
Idolatria del Piru, Lima 1021, basirt ist. Er bereiste die Corregimientos von
Chancay und Cajatambo in den Jahren 1617 und 1018. Man sollte es kaum für
möglich halten, dass er, wie angegeben wird, in nur 31 Ortschaften 003 Haupt-
Huacas, 3418 Conopas (kleinere private Götterbilder), 45 Mamasaras („Maismütter"),
45 Compas (heilige in den Canälen liegende Steine), 189 Huancas (heilige Feldsteine),
617 Malquis (heilig gehaltene Mumien), dazu viele Chacpas (Mumien von
Kindern, welche mit den Füssen voran zur Welt gekommen waren), Chuchos
(heilig gehaltene Mumien von Zwillingen), Paltos (?), Axomamas (?), Micsasaras (?),
Huantaysaras (?), Huayriguasaras (?) u. s. w. auffand und zerstörte (Jose de Arriaga
1. c. pag. 2—9).

Tiahuanaco besonders zahlreich sind, auch auf der Titi caca-
Insel Spuren zurückgelassen hat.

Die Chulpas der Gegend von Sillustani, welche aus der
Zeit des alten Reiches von Hatuncolla stammen dürften, zeigen
in der Bearbeitung der einzelnen Steine, und im architekto-
nischen Aufbau, manche Aehnlichkeit mit den alten Resten
von Tiahuanaco.2) Megalithische Werke anderer Art, welche
sich in Chucuito und Sillustani noch vorfinden3), erinnern
ebenfalls an sie, wenigstens in der Grösse der verwendeten
Blöcke.

Die alten Bergfestungen der Aimarä, von denen grössere
Ueberreste wohl nur an dem Ostufer des Titicaca-Sees
erhalten sind, wurden noch nicht näher untersucht, sie wür-
den aber, wenn genauer bekannt, interessante Parallelen zu
den alten Werken von Tiahuanaco bieten.4)

Ausser in den Uferländern des Titicaca-Sees sind auch
in der geographischen Region von Cuzco sitz-, treppen- und
nischenartige Ausarbeitungen an Felsen oder Monolithen
nachgewiesen worden. Gemeinsam mit den sitzartigen Aus-
arbeitungen der Plateformsteine von Pumapungu deuten sie
auf eine, in mancher Beziehung, gleiche Cultur hin, welche
über diese Gebiete einmal ausgebreitet gewesen ist.5) An
zwei von den Stellen, für die solche Sitze, Treppen oder
Nischen festgestellt sind, finden sich auch andere Reste,
welche an die von Tiahuanaco erinnern (Ollantaitambo und
Concacha0)). An dem dritten Orte, wo sie vorkommen, in
der Gegend von Cuzco, bilden sie die einzigen Erscheinungen,
welche den Werken von Tiahuanaco entsprechen.

2) G. Squier, Peru p. 378—381.

3) Abgebildet von G. Squier 1. c. p. 354, 383 und 384.

4) Diese Vermuthung wird besonders durch die Abbildung auf p. 373 des
Werkes von G. Squier („Chulpa und Bergfestung bei Escoma") erweckt, indem
hier Pfeiler zaunartig aus den Gürtelmauern der alten Festung (entsprechend
Tafel 23 Figur 4) hervorzuragen scheinen. Hr. Forbes erwähnt , p. 67 seiner
Schrift, eine andere zwischen Ancoraimes und Carabuco gelegene alte Bergfestung
Namens „Himoco", beschreibt sie jedoch nur oberflächlich.

5) Man vergleiche oben p. 30b. Thonbecher gleicher Form, wie in Tiahuanaco
(Tafel 41 Figur 5), waren auch in Cuzco gebräuchlich (Berliner Museum). Jedoch
sind deren Verzierungen andere.

6) In der Nähe des Pachachaca-Flusses, am Wege zwischen Abaaync und
Andahuaylas.

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