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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 6.1915-1916

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Nummer 1/2 (Erstes und Zweites Aprilheft)
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Karinthy, Frigyes: Der Zirkus
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Palazzeschi, Aldo: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.37113#0013

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schwitzende, Teppiche tragende Diener rannten.
Ständig murmelte tiefes Gebrumme und ich war es
müde, nach seiner Bedeutung zu forschen. Plötz-
lich flammte scharfes Licht anf, vor meinen Augen
schlugen die Vorhänge auseinander. Jenseits
drängten sich Alenschenköpfe, kurzes Beifallsge-
klatsche erbrauste, dann trat erwartungsvolle^
flüsternde Stille ein.
Allein stand ich dort auf dem Teppich der ge-
räumigen im weißen Licht schwimmenden Bühne.
Doch da lief ich schon mit geräuschlosen Schritten
in die Mitte, überall vom Kegel des Reflektors ge-
folgt. Aiit Schlangenhaft geschmeidigen Bewegun-
gen, verbeugte ich mich nach beiden Seiten den
Logen zu. Dann erfaßte ich die Leiter und kroch
rasch, lautlos, so leicht, daß ich meinen Körper
nicht fühlte, in die vierstöckige Höhe empor. Dort
richtete ich mich auf einem einzigen dünnen Stäb-
chen vorsichtig auf und wankte einige Momente
edühibrierend. Nun wurde mir auf dem Ende einer
Stange ein eisenfüßiges Tischchen emporgereicht.
Ich erfaßte das Tischchen und leimte es mit zwei
Fußen leicht an die oberste Sprosse der Leiter.
Dann kroch ich auf das Tischchen und stellte mich,
immer bemüht, das Gleichgewicht zu erhalten,
darauf. Jetzt folgten drei Stühle aufeinander ge-
steht, — ich hörte zufriedenes Gemurmel und kroch
das Gebäude empor. Der letzte Stuhl stand mit den
Füßen nach oben auf der Lehne, die sich wankend
im Kreise drehte und auf ihm plazierte ich einen
muf die Spitze gestellten riesigen Würfel. Der ganze
Bau zitterte so unsicher unter mir, daß ich fühlte,
das Pochen meines Pulses laufe pochend bis zur
letzten Leitersprosse. Schließlich folgte die Stange
seihst: Minuten dauerte es, bis ich sie gerade auf
die obere Würfclecke fügen konnte.
Dann kroch ich langsam die Stange empor, er-
klomm die Spitze, hielt an und ruhte. Heiß und
langsam rollten die Schweißtropfen über mein Ge-
sicht. Jeder meiner Nerven war bogensehnengleich
gespannt und bebte. Ich wartete, bis das Schwan-
ken des Baues auf dem toten Punkt angelangt war,
richtete mich auf — Todesstille herrschte — und
zog die Geige hervor . . , Mit zitternden Händen
legte ich den Bogen an . . . ich ließ . . . mit einem
Fuß tastend , . . die Stange los . . . beugte mich
vor . . . suchte einige Minuten lang die Gleichge-
wichtslage . . . und die Stille des Schreckens, der
unten die Lippeen aufriß und die Herzen zusam-
men krampten ließ, benutzend . . . begann ich lang-
sam und leise jene Alelodie zu spielen, die ich der-
einst, vor langer, langer Zeit in meinem Herzen
tönen und schluchzen gehört hatte.
Ebazigautorisierte Übertragung von Stefan I. Klein

Gedichte
AMo Palazzeschi
Ins Deutsche übertragen von Theodor Däubler
Verbotene Spielerei
Unsichtbare Spiegel bestreichen uns leise,
ln Nebeln verkleidet,
Sie bleiben im Schatten ganz spurlos:
Kein Spiegelbild haben die Spiegel.
Kein Klecks ihrer Schatten zerspiegelt die Spiegel,
Fs fehlen sogar alle goldenen Kleckse.
Ein Strahl bricht hervor über knallgelbes Liciit
Und bloß auf das Strahlen verirren sich leichte,
Schwersichtb.arc Halbschimmer fliehenden Lichtes:
Ein Spiegeln.
Sie gehen, zergehen behutsam.
Erst werden sie klar, langsam gedämpfter,
Gesichte erscheinen auf einmal,
Die weißesten aller Gesichte.
Leises Erbleichen verdächtigt nur selten ihr
Schimmern

Und hie und da wehen auch segelnde Mäntel
vorüber,
Sie wehen vereinzelt, behutsam, zersilbert.
Auf einmal verweilen die bleichen Gesichte.
Sie bleiben. Nun scheinen sie bunter.
Ihr Augenblick zuckt aus den Schleiern.
Was suchen in Eile zwei stechende Augen?
Sie sind wie im Fieber erschienen, verschieden!
Behutsames Nebeln zerknittert im Finstern,
Die Blicke verflimmem im Blitz von Geschmeiden.
Tiefer bestimmt sich,
Vernimmt sich das Treiben
Verwinzigter Pünktchen
ln wirbelnden Würfeln.
Zwei eisige Würfel: Weit hinten Verweilen!
Die aufmerksam starrschwarzen Punkte erstrahlen.
Da schleichen ganz leicht und behutsam,
Beinahe schon hauchlos die Halbschimmer
Stechender Scheine an Schleiern vorüber: Das
Spiegeln.
Sie gehen, zergehen behutsam.
Erst werden sie klar, langsam gedämpfter:
Sie gehen, zergehen behutsam.
Rio Bo
Drei niedliche Häuschen
Mit spitzigen Giebeln,
Eine winzige Wiese
An begrastem Rain: Rio Bo
Und eine wichtige; Zypresse!
Gewiß der nichtigste
Winkel der Welt . . . aber
Hoch oben steht herrlich ein Stern:
Ein großer, ein lohender Stern!
Mit Qeschimmer und Geglitze
Liebäugelt er immer
Mit der Spitze
Der Zypresse: Rio Bo.
Ein Stern auf leuchtender Liebe!
Wer weiß ob eine große Stadt
Einen schöneren hat?
Wer bin ich?
Wer bin ich?
Etwa ein Dichter?
Nein. Und ich allein
Weiß das Nein.
Ein einziges Wort
Hat das Entsetzen ausgedrückt:
Berückt!
Nun so wäre ich ein Maler?
Nein!
Eine blasse Farbe
In der Seele leicht und weit:
Traurigkeit.
Ein Spielgeselle vielleicht?
Unerreicht!
Ich kenne nur einen tastenden Ton,
Der sanft über Stufen zu gehn sucht:
Sehnsucht.
Nein, etwas bin ich, bin ich doch!
Ich tue eine scharfe Linse,
Eine Linse, vor das Herz
Und die Leute sehen durchs Loch:
Ein Scherz!
Ich bin in der eigenen Seele ein Schauckler,
Mein einziger Gaukler.
Der Bummel
Wollen wir los?
Meinetwegen!
Zur Stickkunst
Fabrik von Spitzen und Einsätzen
Bestellungen, Liefrnngen
Schwestern Purtare
Zur Stadt Paris
Das allerletzte, das allerneueste!

Benediktus Pappenstiel
Nachfolger von Michael Hilf
Aelteste Apotheke
Gegründet im Jahre 1783
Wichtig für die Damenwelt!
Schönheit der Haut
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Die neueste unübertreffliche Seife
Prezisions-Uhren
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Die Millioncn-Lotterie
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Zur Taube
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Läufer und Schwalbe
Erstes Stoffgeschäft
Niederlage von Wollwaren
Tuch und Flanell
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Holz, Kohle, Lignit
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Zapfen, Reisig
Professor Nikolaus Flisländer
Achtung junge Stutzer!
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