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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 6.1915-1916

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Nummer 11/12 (Erstes und Zweites Septemberheft)
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Walden, Herwarth: Kunststücke: Meisteratelier-Geheimnisse
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Stramm, August: Gedichte
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Knoblauch, Adolf: Hebräische Wanderung
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https://doi.org/10.11588/diglit.37113#0066

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machen. Und schließlich haben die Kölner Zeit und
Geid: „Es ist in der Rege! vorzuziehen, daß ein
als wertvoll erkanntes Werk später teuerer be-
zahlt wird, als daß Geld mit Spekulationskäufen
vergeudet wird". Der Herr Kunstreferent der
Kölnischen Zeitung hat offenbar eine Sammlung
der älteren Düsseldorfer Schule, bei der er sein
Geld vergeudet hat. Die wertvollen Werke hat er
allerdings noch nicht erkannt. „Ein Stück Dema-
goge müßte der neue Direktor sein und ein Stück
glatter Diplomat, letzteres, um in Bedarfsfällen ge-
schickt freiwillige Beisteuern vermögender Kunst-
schützer loszueisen, ersteres, um in weiten Kreisen
der Bürgerschaft Kunstliebe und Kunstverständnis
zu wecken und zu pflegen". Daß er zweiteres
auch Kunstreferent der Kölnischen Zeitung sein
soll, wird nicht verlangt, trotzdem man sich dort
gerade mit der Ammentätigkeit des Weckens und
Pflegens eifrig müht, aber die Säuglinge kommen
offenbar nicht auf den richtigen schlechten Ge-
schmack. Das dürfte aber dritteres hinwiederum
gut sein, weil sonst bei der letzteren Loseisung
die Beisteuern nur in Oel fielen. Ein Direktor,
der allen hunderteren Anforderungen genügt, ist
zweifellos Herr von Perfall. Ich glaube, gegen
ihn hat auch der Kunstreferent der Kölnischen
Zeitung nichts einzuwenden. Dieser Vorschlag
wird selbst ihm eine namenlose Freude bereiten.
Herwarth Waiden

Gedichte
August Stramm
Schrei
Tage sargen
Welten gräbern
Nächte ragen
Blute bäumen
Wehe raumen alle Räume
Würgen
Schwingen
Und
Zerschwingen
Schwingen
Würgen
Und
Zerwürgen
Stürmen
Strömen
Wirbeln
Ballen
Knäueln
Wehe Wehe
Wehe
Wehen
Nichtall.
Im Feuer
Tode schlurren
Sterben rattert
Einsam
Mauert
Welttiefhohe
Einsamkeiten.
Haidekampf
Sonne Halde stampfen keuche Bange
Sonne Halde glimmet stumpfe Wut
Sonne Halde sprenkeln irre Stahle
Sonne Halde flirret faches Blut
Blut
Und /
Bluten

Blut
Und
Bluten Bluten
Dumpfen tropft
Und
Dumpfen
Siegt und krustet
Sonne Halde flackt und fleckt und flackert
Sonne Halde blumet knosper Tod.
Frage
Und
Stämme schlanken weiten Himmel
Und
Herzen schwanken brüten Schmerz
Und
Halme hauchen welle Stürme
Und
Schweigen schrickt
Und
Beugt und geht
Und
Gehen Gehen
Wege Ziele Richtung
Und
Gehen Gehen
Lieben Leben Tod
Und
Gehen Gehen
Endlos wellen Stürme
Und
Gehen Gehen
Endlos Halmt
Das
Nichts.
Traumig
Frauen schreiten ab zersehnte Augen
Kinderlachen händelt Schmerzes Blut
Fernen nicken
Blüten winken
Kommen sammeln winden
Würgen sticket klamm die tränen Schlund.
Granaten
Das Wissen stockt
Nur Ahnen webt und trügt
Taube täubet schrecke Wunden
Klappen Tappen Wühlen Kreischen
Schrillen Pfeifen Fauchen Schwirren
Splittern Klatschen Knarren Knirschen
Stumpfen Stampfen
Der Himmel tapft
Die Sterne schlacken
Zeit entgraust
Sture weitet blöden Raum.
Zagen
Die Himmel hangen
Schatten haschen Wolken
Aengste
Hüpfen
Ducken
Recken
Schaufeln schaufeln
Müde
Stumpf
Versträubt
Die
Gehre
Gruft.
Krieggrab
Stäbe flehen kreuze Arme
Schrift zagt blasses Unbekannt
Blumen frechen

Staube schüchtern
Flimmer
Tränet
Glast
Vergessen.


Hebräische Wanderung
Adolf Knoblauch
I
In der trunkenen Morgenstunde
schlummern Josef und Mirjam
ehelich vereint inmitten ihrer Herden
im Lager des heimatlosen Volkes,
inmitten müder Kriegerscharen.
Miriam erwacht und erhebt sich
in ihrer leuchtenden Schönheit,
doch auf Josefs Stirn lastet die Hand des Herrn.
Sie eilt de;n( Felsen zu, um im Qnell zu baden
vor dem Heeres-Aufbruch.
Die fernen Lagerwachen auf den Bergen in der
Runde
singen den Stundenruf erneut,
als sie auf dem Bergpfad heimkehrt;
und die Ebene zu Füßen
dämmert im Morgenlicht grünlichen Goldes
entlang den finstren Bergzinnen.
Zu Mirjam spricht eine wunderliche Stimme,
über Miriams Scheitel
beugt sich am Berge ein grünschimmernder,
schuppiger Wurm mit Flüstern:
Mirjam halte inne, ich küsse deinen hellen Scheitel,
Deine goldene Stunde welkt,
deine treue Freude wird dir genommen,
du sollst einsam sein mit Härmen,
wenn Josef unter Speeren der Feinde stirbt.
Deine Stunde welkt
im goldenen Kranz ihrer Schwestern,
die nach Einung sich sehnen,
allem Verweilen auf tiefer Flur zuwider.
Der Wind pocht ruhlos im Haferfeld,
flüstert über seinen Halmen:
die Halme stehen leer,
keine Frucht soll das Feld des heimatlosen Volkes
ferner tragen auf seiner frevlen Wanderung.
Fürchtet Mirjam nicht die Einsamkeit?
Niemand soll übrig bleiben.
In jener Feuersäule des Nachts,
in der Wolkensäule am Tage, sagen eure Lehrer,
gebe Gott sich kund! Ich sah heut Nacht,
da dein Volk im Tale drunten einzog,
die Fackel eures Gottes in den Bergen,
eurer Zauberer Werkzeug lodern.
Dem eitlen Schein folgt ihr wie Kinder
und laßt verführt den Pfad der Wüste
euren Nachkommen zum Erbe.
Halte inne Mirjam, wecke die Deinen,
trenne dich mit Josef
von dem Geschlecht, das Gott verwarf.
Heißes Dunkel glüht in deinen köstlichen Augen
ihr Licht wird der Sturm verschlingen,
den schreckliche Götter dieses Landes senden.
Zu eifervoller Zwiesprache
beugt Mirjam das Haupt vor dem Grauen:
Du Wurm kröchest aus finstrer Gruft,
du nährtest dich vom faulenden Laub im Hag,
da sahst du das Feuer meiues Volkes,
aber du warst der Schrift nicht kundig,
die hoch in den Flammen steht

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