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IV

Vorwort.

erkennung, daß sie sich in den Grenzen der Billigkeit und Höflichkeit halte. Und
während die Germania das Buch wegen seiner Haeresien auf ihren privaten Index
librorum proliibitorum setzt, hat der dem Buche mit besserem Verständnis gegenüber-
stehende Ronzevalle sich begnügt, die Leser vor der falschen Philosophie zu warnen.
Wenn er dann die Hoffnung ausspricht, der zweite Band werde alles vermeiden, was
die Empfindungen frommer Katholiken verletzen könne, so denke ich, nur kranker
Glaube ist empfindlich, ein gesunder wie derjenige des verehrten Kollegen verträgt
eine historische Studie über unser Altertum; wir sind doch — trotz allem Trennenden
— unter uns Christen?
Alle meine Rezensenten bewahren Haltung, nur einer läßt sich gehen, Joseph
Sauer, in der Deutschen Literaturzeitung. Dem Begriff Christliche Antike, der
geschichtlichen Erfassung des Christentums, hält er den Schild des Glaubens entgegen:
„Für uns und jeden überzeugten Christen ist das Christentum seinem Ursprung, Wesen
und Ziel nach etwas schlechthin Absolutes.“ Wider das Glauben ist nicht zu streiten.
Nur einen Vorschlag zur Güte: in den Gemeinden, wenn sie es so wollen, und in der
Deutschen Literaturzeitung, solange ihre Leser sich’s bieten lassen, gelte das Dogma,
das Fürwahrhalten um jeden Preis, in der Wissenschaft dagegen die Forschung ohne
Vorbehalt. Das wäre eine reinliche Scheidung.
Wenn im zwanzigsten Jahrhundert in wissenschaftlichen Organen der Dogmatismus
das große Wort führen darf, so war meine erste Einleitung am Platze, die über Glauben
und Forschen, so war es am Platze, eine nicht dogmatisch interessierte Forschung zu
fordern. Eine solche Forderung in Frankreich erheben, so bekommen wir im Journal
des savants zu hören, hieße offene Türen einrennen, anders in Deutschland, wo die
klassischen Philologen, Archäologen und Historiker die frühchristliche Weit fast völlig
vernachlässigten und wo die christliche Archäologie das Monopol der Theologen blieb.
Nun aber meinen einige Gelehrte meinem Streben nach einer dem Streite der Welt-
anschauungen entrückten Position noch obendrein Steine in den Weg legen zu sollen,
mit dem Einwand, mein Standpunkt sei selbst Weltanschauung. Aber das ist nur ein
Wortstreit; sie gebrauchen das Wort Weltanschauung in einem weiteren, wie mir vor-
kommt laxeren Sinne als ich. Weltanschauung ist die Vorstellung, die man sich
vom Weltganzen und der in ihm wirkenden Kraft macht; wohl ist es Aufgabe des
denkenden Menschen, an der Weltanschauung zu bauen, nicht aber, eine Weltanschauung
zu haben und zu behaupten. Der Grundsatz aber, nach dem einer sein wissenschaft-
liches wie sein übriges Leben gestaltet, ist nicht Weltanschauung, er besteht unabhängig
von den streitenden Weltanschauungen, wie vom Theismus, so vom Atheismus. Als sich
ausschließende Gegensätze erscheinen diese nur dem Dogmatismus; für die Wissenschaft
sind sie gleichwertige heuristische Hypothesen, die, weil alle beschränkt, alle neben-
einander bestehen, die theistische wie die atheistische, die dualistische, die monistische,
und wie sie sonst heißen mögen. Der Mensch, der die Hypothesen denkt, ist Herr
ihrer aller und bedient sich hier der einen, dort der andern nach der Art des jeweils ihn
beschäftigenden Problems. Und so ist er unabhängig von der Weltanschauung.

Gemäß dem Zwecke dieses Buches, den klassischen Philologen und Archäologen die
Denkmäler der christlichen Antike einigermaßen gesichtet an die Hand zu geben, notwendig
nach Kunstgattungen geordnet, behandelte der erste Band die verhältnismäßig früheste
 
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