Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

Einleitung.

stätigte Wahrnehmung ging dahin, daß die Ornamentik des Neuen Reichs ein wesentlich
anderes Gesicht zeige, als die frühere, besonders als die des Alten Reichs. Die Wandlung
erschien so tiefgreifend, daß sie nicht wohl als bloßer innerer Entwicklungsprozeß ver-
standen werden konnte; es mußten äußere Umstände, fremde Einflüsse im Spiele sein.
In der Weltgesch. charakterisierte ich das zweite Jahrtausend als die erste
Epoche intensiveren Weltverkehrs. Hier nun standen Ägypten und Vorderasien im
Vordergründe, dazu aber trat, dank Schliemanns weiteren Forschungen und seiner
Mitarbeiter und Nachfolger emsigem Spüren, das Ländergebiet des Ägäischen Meeres.
Einzelne Kunsthistoriker schreiben die ägäische Kunst ohne weiteres dem Orient gut.
So aber, und so einfach, liegt die Sache nicht; bei allem internationalen Austausch
tritt die kretisch-mykenische Kunst uns als besonders originell entgegen. Bei der
Frage nach internationalem Austausch wollen demnach die genannten drei Gebiete
berücksichtigt sein.
Die Annahme fremder Einflüsse auf die Ornamentik des neuen Reichs, vielleicht
auf seine ganze Kunst, war die Haupthypothese, die nun freilich noch eine Frage offen
ließ, nämlich von welchem Lande her diese Einflüsse auf Ägypten gewirkt haben
könnten. Die Antwort konnte wieder nur hypothetisch gegeben werden. Von Anfang
an, und zunehmend im Fortgang der Untersuchung, machten sich Übereinstimmungen
der neuen ägyptischen Ornamentik mit den freilich viel jüngeren assyrischen Denk-
mälern bemerklich. Fördernd aber traten noch andere Momente ins Mittel. Um Auf-
klärung über die geschichtliche Stellung Ägyptens zu erhalten, war es nötig, die
Ägyptologie zu befragen; nicht des Archäologischen wegen, denn eine ägyptische
Archäologie gab es nicht, die Ägyptologen waren mit Erklärung der Inschriften und
allenfalls den Antiquitäten vollauf beschäftigt. Von der Ägyptologie also konnte man
erfahren, daß im zweiten Jahrtausend Ägypten mit den Nachbarvölkern in lebhaftem,
teils friedlichem, teils kriegerischem Verkehr stand. Um das östliche Mittelmeerbecken
muß es damals recht unruhig zugegangen sein. Die ägyptischen Inschriften berichten
von allerlei nördlicheren Völkern, die den Ägyptern zu schaffen machten, aber auch
von Siegen der Ägypter und von Tributen, die ihnen solche Völker darbrachten.
Unter ihnen figurierten die Kafa (Keftiu). Ebers hatte sie für die Phönizier erklärt;
dabei konnte er sich auf eine ägyptische Notiz hellenistischer Zeit stützen. Also mußte
ich die Kafa (Keftiu) als Phönizier ansehen.
An den Tributvasen dieser Leute fällt eine Vorliebe für Spiralornamentik in
Band- und Netzsystemen auf; ähnliche Systeme aber kehren in der neuägyptischen
Plafondmalerei wieder, ebenso in gleichzeitigen Wandmalereien, an Kajütvorhängen
und Segeltüchern, wie ja auch die ornamentalen Wand- und Deckenmalereien Gewebe-
mustern nachgebildet waren. Die Annahme, daß die Spiralornamentik außer an Metall-
vasen auch an Geweben, also ebenfalls transportfähiger Ware, zu den Ägyptern ge-
kommen sei und zwar aus dem Lande der Kafa, den Ägyptologen zufolge der Phönizier,
schien noch in dem bemerkenswerten Umstande eine Stütze zu finden, daß die reichsten
Plafonds- und Segeltücher die Spiralmuster in sattroten Grund setzten, wie er in älter-
ägyptischen Textilmustern nicht so vorkommt. Also wird dies Rot auch zu den Neu-
einführungen gehören. Was lag näher als an den phönizischen Purpur zu denken?
Nun aber hatten Schliemanns Ausgrabungen von Tiryns und Orchomenos gleichartige
Wand- und Deckenmuster ans Licht gebracht, dort in Malerei, hier in Flachrelief;
allgemein schloß man auf direkte Abhängigkeit der mykenischen von der ägyptischen
 
Annotationen