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Orient und Hellas.

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Kunst. Waren aber die Kafa Phönizier, so mußten deren Fabrikate (Vasen und
Textilien) ebenso nach Griechenland wie nach Ägypten gekommen sein; die in die
Webmuster aufgenommenen Lotusornamente konnten die Phönizier ihrerseits dem
Nillande entlehnt haben. Tatsächlich fanden sich in Griechenland, neben den erwähnten
Nachbildungen der fraglichen Webmuster, auch dort mit dem roten Grund, originale
Vasen in Edelmetall, in Formen und Ornamentierung identisch den in Ägypten ab-
gemalten. Diese mußten dann auch als phönizische Handelsware gelten.
Erst die neueren Funde auf Kreta haben es wahrscheinlich gemacht, daß die
Kafa oder Keftiu nicht Phönizier, sondern Kreter waren; jene spätägyptische Notiz
wird nicht auf Überlieferung beruhen, sondern auf gelehrter Kombination, darf uns
also nicht binden. Setzen wir nun statt der Phönizier die Kreter ein, so bleibt meine
Annahme fremder Einflüsse in Ägypten zu Recht bestehen; es ergibt sich aber eine
Beeinflussung Ägyptens von seifen der kretisch-mykenischen Kultur. Wir dürfen
unbedenklich sagen, die in Ägypten abgemalten, in Griechenland in goldnen und silbernen
Originalstücken wiedergefundenen Vasen identischen Stils sind Erzeugnisse der kretisch-
mykenischen Kunst. Nicht ebenso glattweg dürfen wir die mehrerwähnten Textilien
derselben Heimat zuschreiben. Da liegt die Sache verwickelter: ägäische Spiralen ver-
binden sich mit ägyptischen Lotusblumen und mit phönizischem Purpur. Die nur in
den ägyptischen Plafonds eingestreuten spezifisch ägyptischen Embleme wie Skarabäen
mögen von den ägyptischen Malern hineingesetzt sein. Aber wo füllten sich die Zwickel
der ägäischen Spiralnetze mit den ägyptischen Lotusblumen? wo verband sich mit
alledem der phönizische Purpur? Das bleibt noch offene Frage; aber es kann gesagt
werden, daß trotz Kreta Phönizien nicht ganz ausgeschaltet werden darf1).
Unter den Ornamenten des Neuen Reichs wollen einige Blumen beachtet sein.
Die für Oberägypten sinnbildliche sog. Lilie (ihre botanische Bestimmung gelang noch
nicht) rollt von da an ihre überhängenden Blattspitzen ein. Nun machte Borchardt
darauf aufmerksam, daß die echte Lilie der ägyptischen Flora fehlte, neuestens aber
schließt Hermann Thiersch aus der großen Zahl ihrer Darstellungen in der ägäischen
Kunst, daß die königliche Blume ein Liebling insbesondere der Kreter gewesen sein
müsse; da sie nun dort immer mit eingerollten Blattspitzen gezeichnet wurde, so scheint
sie im Neuen Reich zu den Einrollungen am altägyptischen Symbol für Oberägypten
Anlaß gegeben zu haben. — Sei es nun diese hybride Kunstform gewesen oder die
in Ägypten eingeführte echte Lilie, kurz eine lilienartige Blume mit zwei abwärts ein-
gerollten Blattspitzen fand in den Kompositkapitellen der Baldachinstützen des
Neuen Reichs häufige Anwendung. Da diese Kapitelle zunächst nur aus Wandmalereien
bekannt waren, so konnte der Argwohn Platz greifen, ihre üppig wuchernde Formenfülle
sei zum Teil vielleicht nur phantastisches Spiel der Maler. Aber seit Garstang ein aus-
gegrabenes Lilienkapitell von Holz veröffentlichte, sogar aus dem Mittleren Reich,
’) v. Sybel, Über Schliemanns Troja 1875. Derselbe, Kritik des ägyptischen Ornaments 1883.
Der Gedanke, daß die Kunst der Ägypter irgendwie abhängig gewesen sein sollte, erschien den
Ägyptologen wie eine Verwegenheit. Mit freundlichem Lächeln gab mir ihr liebenswürdiger
Nestor, Richard Lepsius, das Manuskript zurück. Andere schalten. Ihr Haupteinwand, die Gegen-
frage, warum denn das als mesopotamisch so bekannte Flechtband in die Kunst des Neuen Reichs
nicht auch eingedrungeu sei, fiel zu Boden an der kurz nachher gewonnenen Erkenntnis, daß das
Flechtband zur Zeit der achtzehnten Dynastie noch gar nicht auf der Welt war (Weltgesch.2 80).
Zur Deutung der Keftiu vgl. Weltgesch.2 61.

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