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Einleitung.

kann an der tektonischen Verwendung des Typus nicht mehr gezweifelt werden; da-
neben spielen nur Lotus-, Palm- und Löwenkapitelle mit, au deren wirklicher Ver-
wendung auch kein Zweifel besteht1).
Eine andere Blume des Neuen Reichs hatte ihre Heimat in Syrien. Ihr komplizierter
Aufbau, in der schematischen Zeichnung schwer verständlich, ließ an ein künstliches
Arrangement denken, analog dem ägyptischen Etagenbukett (Kritik 24). Thiersch hat
darin jetzt die in Syrien beheimatete Iris erkannt, deren Blütenblätter sich in drei
Etagen aufbauen, den überhängenden Kelchblättern, den wagerecht abstehenden, wohl
auch sich aufrollenden Narbenblättern, und den aufrecht stehenden Kronenblättern.
In der symmetrischen Zeichnung hängen zwei Kelchblätter herab, bald auch mit Ein-
rollung, zwei seitwärts abstehende Narbenblätter rollen sich aufwärts ein, zwischen ihnen
steht eine Gruppe aufrechter, schlank kolbenförmig gezeichneter Kronenblätter. Tutli-
mosis III hat die Iris in Ägypten eingeführt, aus dem Lande der Rutennu (nach
jetziger Interpretation die Phönizier). Außer in Tuthmosis’ Bericht kommt sie in
Ägypten nur in Goldschmiedearbeit vor und in rein ornamentaler Verwendung, nicht
in tektonischer oder architektonischer; Thiersch zufolge weil das Gebilde dafür allzu
reich aufgebaut war2).
Das sind Proben und Symptome internationaler Beziehungen, zum Teil auch des
Austauschs. Wie originell aber die kretisch-mykenisclie Kunst im Grunde war, wie
selbständig sie auch bei Anerkenntnis solchen Austauschs dem Orient gegenüber dastand,
das führen jene Goldvasen eindringlich zu Gemüte, unter denen sich so wertvolle
Proben der ägäischen Lebensdarstellung finden, wie der einzigartige Stierfang; das zeigen
auch die Dolchklingen, die Gemmen, die Vasen; etwas Originaleres als die
ägäische Keramik gibt es in der ganzen Welt nicht. Das bestätigt auch ihre Baukunst.
Im Plane hat man eine Abweichung des kretischen Grundrisses vom tirynthisch-
mykenischen bemerkt, insofern hier das Megaron in die Tiefe ging, auf Kreta aber in
die Breite. In diesem Punkte besteht eine Übereinstimmung mit dem Orient; also
darf wohl eine Beeinflussung von ihm vermutet werden, soweit nur für das südlichere
Kreta, nicht für das nördlichere griechische Festland. — Die Bauweise, auf Stein-
sockel Lehmwände mit Holzfestigung, war weithin verbreitet auf der langlebigen
Zwischenstufe zwischen der primitiven Hütte und dem Monumentalbau. Hat sie irgendwo
zuerst begonnen und von da aus sich verbreitet, so lag dieser Vorgang im zweiten
Jahrtausend weit zurück. — Strittig ist die Bedachung. Dörpfeld erschloß ein Flach-
dach, Lehmestrich in Holzrahmen; Reber rekonstruierte ein Giebeldach. Neuerdings
wurde die Meinung geäußert, beide Weisen seien wohl nebeneinander in Übung gewesen.
Schwerlich aber gleichwertig; ich halte an der Auffassung fest, daß die heimatliche
Dachform nicht bloß in Griechenland, sondern in der ganzen nördlichen Zone das

*) Borchardt, Ägyptische Pflanzensäule 20. — Thiersch in Hirsclis Zeitschr. für Gesell,
d. Architektur 1908, 257. — Garstang, Burial customs of ancient Egypt. 1907, 141 Fig. 139 mit
sechs radial überhängenden Blattspitzen noch ohne Einrollung, und zentralem Kolben, auf dem
ein Dübelholz sitzt.
2) Kritik 25f. „phönizisches Bukett“; Weltgesch. 63. 108 „syrische Blume“; eh. 2 63. 121
„etagiertes syrisches Bukett“. Naturalistisch ist die Iris nur in Tuthmosis’ Bericht wiedergegeben
(Thiersch Abb. 4), mißverstanden, oder zu freiem Spiel des Ornamentisten benutzt, in der Gold-
schmiedearbeit Thiersch Abb. 5, im Plafond Prisse I Taf. 30 (Weltgesch. 63 Fig. 51 nur der obere
Teil), an den Fayenceplättchen Thiersch Abb. 6.
 
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