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270

Architektur und Malerei.

christlicher Elpenor, hinab auf die Straße (Ap. 20, 7—9). All das setzt Verhältnisse
der Großstadt voraus, große mehrstöckige Miethäuser, rechte Mietkasernen (Zinshäuser).
In dieser Art waren die antiken Großstädte gebaut, ebenso wie die modernen, so
Jerusalem, so Antiochia, Ephesus, ebenso Alexandria Troas. Und so auch Rom. Ein
römischer Geschichtschreiber erzählt einen merkwürdigen Vorfall, der sich in Rom zu-
trug; am Rindermarkt geriet ein Ochse in ein Haus, stieg die Treppen hinauf bis in
den dritten Stock und stürzte durchs Fenster hinunter auf den Platz; das war 218
vor Chr. Schon damals also besaß Rom mehrstöckige Häuser; später wurden sie bis
sechsstöckig gebaut. Ein amtlicher Stadtplan des kaiserlichen Roms hat sich bis heute
erhalten, wenn auch nur in Bruchstücken; auf Marmortafeln eingegraben bedeckte er
eine große Wand. Da sieht man denn auch die Grundrisse vieler Miethäuser ein-
getragen, sie füllen oft ganze Straßenvierecke. Selbstverständlich ist nur das Erdgeschoß
gezeichnet; an den Straßen reihen sich viele schmale Räume, die aber tief in das Haus
hineingehen, lauter Werkstätten und Verkaufsbuden, vielleicht mit einer Kammer im
Fond. Die Grundrisse der Obergeschosse konnten nicht eingetragen werden; oben gab
es natürlich auch breitere Räume und ganze Säle. Man darf nun nicht übersehen,
daß die Apostel, als die scharfblickenden Realpolitiker, wie sie etwa im Römer- oder
Galaterbrief erscheinen, mit dem ersten Eintreten in die universale Richtung, in die
Heidenmission, sich von vornherein auf die Großstädte warfen; gewannen sie diese, so
fiel das übrige Land dem Christentum mit der Zeit von selbst zu. Gerade der Römer-
brief ist das beredteste Zeugnis dafür, wie sie wetteifernd sofort die Reichshauptstadt
ins Auge faßten, da hier die Entscheidung über die Zukunft des Christentums lag.
Für die Großstädte aber, und vor anderen für Rom, wird nachgewiesen und berechnet,
daß dort das alte Einfamilienhaus in der Kaiserzeit der Mietskaserne Platz gemacht
habe, wo dann zunächst nur jene Obergeschosse zur Verfügung standen, die Hyperoa,
von denen oben die Rede war.1)
Auf die Dauer befriedigten die Säle im Obergeschoß die Raumbedürfnisse der
christlichen Gemeinden nicht; die Versammlungen fanden zweckmäßiger zu ebener Erde
statt. Brauchbare Räume im Erdgeschoß aber gab es nicht in den Mietkasernen, nur
im Einfamilienhaus; denn dies hatte seine Haupträume zu ebener Erde.
Über das orientalische Haus der frühchristlichen Zeit sind wir zu wenig unter-
richtet, um dabei verweilen zu dürfen. Nur hat man das jüdische Haus der auguste-
ischen Zeit aus den Erwähnungen in der Mischnah zu rekonstruieren gesucht; da aber
Denkmäler nicht zu Gebote stehen, so bleibt die Rekonstruktion ein ähnlich ver-
seh wimmendes Schema wie etwa Salomons Palast. Aus dem Nebel tritt uns ein Vor-
hof einigermaßen erkennbar entgegen, mit Tor nach der Straße und Torwächterhäus-
chen; dann das Haus mit Vorhalle und Flur; um ein Triklinium gruppieren sich die
Zimmer des Vorhauses; dahinter folgt ein Peristyl mit den anliegenden inneren Ge-
mächern, im Fond eine Exedra; gern stellte man noch eine Stube auf das flache Dach.

’) Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß bei den Juden im Zeitalter der Mischna (gleich-
zeitig den Anfängen des Christentums) wichtige Beschlüsse öfter in Obergemächern gefaßt
wurden. Levy’ Talmudwörterbuch Art. vnsooiov. David Kaufmann, Monatsschrift f. d. Judentum
XL 382. — Rindermarkt: Liv. XXI 62. v. Sybel, Weltgesch. 2322, 2. — Stadtplan, im Kon-
servatorenpalast: Jordan, Forma Urbis Romae, Berlin 1874. Richter, Topographie von Rom 21901, 3.
— Mietkasernen, Konrad Lange, Haus und Halle 1885, 262. Hülsen, Röm. Mitteil. 1892, 281.
 
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