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Tilker, Andreas
Tanikama: Dämonologie und Exorzismus in Sri Lanka — 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.8392#0008
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hätte, erzählte er, daß er, als er hinter uns herging, in der Nä-
he des Baumes eine Art Brummen hörte, wie das eines schnob-
bernden bissigen Hundes und als er nach der Richtung sich ge-
wendet hätte, hätte er hinter dem Baum einen großen Kopf über
das Gebüsch schauen sehen. Am Morgen nach diesem Vorgang war,
wie man uns sagte, BABA sehr krank. Am Abend sahen wir ihn
und fanden ihn in Fieberdelirien. Zwei Tage danach wurde die
Ceremonie des Sanni-yakuma-nätima oder Tanz der Sanni-Dämonen
ausgeführt. Während dieses Tanzes etwa zwischen 3 und 4 Uhr
morgens, während die Opfer angeboten wurden, rief der Kranke,
indem er auf einen der Tatu's oder Altäre zeigte: 'Da, dies
ist die Getalt, welche ich neulich unter dem großen Baum sah -
der da, welcher den Reis frißt!' Eine Minute später sagte
er: 'Jetzt geht er weg'. Alle Anwesenden blickten nach der
Richtung, konnten aber nichts sehen. Den Tag darauf fühlte
der Mann sich besser und nach Tagen war er völlig gesund."

1.2. Interpretation des Zustandes

GOONERATNE sah in der Übersetzung des Konzepts tanikama einen Schlüs-
sel zum Verständnis des Dämonismus (1865/66: 48), den er jedoch
nicht weiter benützt hat. Auffällig ist, daß dieses Konzept erst ca.
100 Jahre nach GOONERATNE durch die Arbeiten von OBEYESEKERE (1969;
1975) und KAPFERER (1979b,c; 1983) wieder thematisiert wurde.

"Alleinsein" ist nach singh. Auffassung ein gefährlicher Zustand
(OBEYESEKERE 1975b: 52). Exorzisten und Laien verbinden das erste Auf-
treten eines Dämonenangriffs mit Ereignissen, bei denen der Patient al-
lein oder entfernt von menschlichen Wohnstätten ist (OBEYESEKERE 1969;
1975b). Normalerweise berichten Opfer, "erschreckt" worden zu sein,
während sie in der Nacht allein an Friedhöfen, aufgelassenen Brunnen
oder Kreuzwegen vorbeigingen. Solch ein furchtbarer Schreck oder see-
lische Erschütterung wird dann als Ursache der sich nachträglich
einstellenden organischen Störung angesehen. Dies entspricht der west-
lichen Auffassung, nach der ein Schreckerlebnis eine psychische Dis-
position zum Krankwerden hervorrufen kann (LOMMEL 1963).

Tanikama bedeutet nicht nur physisches, sondern auch psychisches "Al-
leinsein" (OBEYESEKERE 1969: 176; 1975b: 53; KAPFERER 1979b: 112) und
soziale Isolation. "Alleinsein" ist Voraussetzung des Dämonenangriffs.
 
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