Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Tilker, Andreas
Tanikama: Dämonologie und Exorzismus in Sri Lanka — 1988

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8392#0049
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
- 43 -

6, Patienten des ädura

6.1. Soziale Zuordnung

Die Patienten des Ä d u r a rekrutieren sich hauptsächlich aus der
Arbeiter- und Bauernschicht der Süd-Westküste Sri Lankas.
GOMBRICH (1971:198) berichtet, daß große Dämonenzeremonien
(Yak Tovil ) und Bali -Zeremonien im Hochland selten sind. Eine
Erklärung für diese regionalen Unterschiede ist bisher nicht versucht
worden. Ein Anhaltspunkt mag in der unterschiedlichen Entwicklung
dieser beiden Landesteile gesehen werden. Das Hochland war bis 1815
unabhängi g, wohi ngegen die Küstengebiete s;i:hon seit dem 16. Jahrhundert
unter kolonialer Herrschaft standen. Buddhismus (besser Mönchsorden)
und Königstum waren seit frühester Zeit eng miteinander verbunden.
Durch die Kolonialherrschaft an den Küsten verlor der Buddhismus dort
seine staatliche Unterstützung und zog sich ins Hochland zurück, um
dort verstärkt seinen Einfluß auszuüben (s. MALALGODA 1976).

Die Tatsache, daß Dämonenrituale vorwiegend eine Praktik der Arbeiter
und Bauern ist, scheint ein Phänomen jüngeren Datums zu sein. Histo-
rische Quellen (s. GEIGER 1960: 164-79) belegen, daß der Exorzismus in
vor-kolonialer Zeit in allen Gesellschaftsschichten verbreitet war
(s.a. CALLAWAY 1929). Gründe für die schichtenspezifischen Unter-
schiede in der Praxis des Exorzismus sind im sozioökonomischen und
politischen Wandel, dem Entstehen einer Klassengesellschaft und dem
damit einhergehenden ideologischen Wandel zu sehen. Vor allem die
neu entstandene Mittelschicht wurde zum Fürsprecher einer buddhi-
stisch, nationalen Erneuerungsbewegung, die die traditionellen kul-
turellen Praktiken, wie den Exorzismus, umdefinierten und als "nicht-
buddhistisch" abwerteten, da diese Praktiken für sie (im Kontext
'rationaler' Ordnung der kolonialen Herrschaft), die Unterordnung und
"Schwäche" singhalesisch-buddhistischer Kultur in bezug auf die ko-
loniale Macht symbolisierte. Der Angriff auf die "Tradition" durch
die Reformisten der singhalesischen Mittelschichten brachte sie in
eine ähnlich distanzierte und dominante Beziehung zur eigenen singha-
lesischen Kultur wie die britischen Kolonialherren zu dieser standen.
 
Annotationen