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Die seit 1912 hier durchgeführten Grabungen sicher-
ten den Gesamtverlauf der Kastellgräben. Wie in Unter-
kirchberg, so stieß man auch hier auf ein Doppelgraben-
system, das von einem einzelnen Spitzgraben überlagert
wurde, der ebenfalls in der Richtung etwas abweicht.
Die Spitzen der beiden älteren Gräben waren mit dun-
kelschlickigem Material gefüllt, das, nach oben heller
werdend, mit einem 5 cm starken Band aus Holzkohle
und verbranntem Lehm abschloß. Der darüberliegende
Einzelgraben war flacher und weniger sorgfältig eingetieft.
Sigillatascherben datierten die ältere Anlage in clau-
dische, die jüngere in vespasianische Zeit. Dieser Befund
konnte in zahlreichen Schnitten immer wieder fest-
gestellt werden. Die von den Spitzgräben eingeschlossene
Fläche beträgt beim älteren Kastell bei 110 X 152,5 m Sei-
tenlängen (gemessen an den idealen Ecken der Innenkan-
ten des Innengrabens) etwa 1,6775 ha, beim jüngeren
Kastell mit ca. 117,5X162,5 m Seitenlangen etwa 1,9093
ha. Beide Anlagen besaßen je vier Tore, wobei die jüngere
vermutlich Teile der älteren Toranlagen wiederbenützt
hat. Es ließ sich eindeutig feststellen, daß einige der Tor-
pfosten ausgewechselt wurden.
Zusammenfassend halten wir also für Rißtissen
und Unterkirchberg fest: Die ersten Anlagen wurden
jeweils von zwei Spitzgräben umschlossen. Nach der
Zerstörung durch Brand (?) sicherte ein Einzelgraben,
der nur ungenau dem Verlauf der älteren Gräben
folgte, das Lager* * * * 5.
Wir glauben nun die hier beobachteten Befunde
mit denen von Burghöfe parallelisieren zu dürfen,
da alle drei Kastelle zum gleichen »Frontabschnitt«
gehörten und damit den gleichen taktischen Bedin-
gungen unterworfen waren.
Der Doppelgraben von Burghöfe, von dem wir
glauben, daß er in claudischer Zeit entstanden ist,
wäre demnach den ersten Anlagen von Unterkirch-
berg und Rißtissen gleichzustellen. Der undatierte
Einzelgraben könnte dann den vespasianischen Grä-
ben der beiden oben genannten Lager entsprochen
haben.
Die überall im Kastellbereich von Aislingen und
Burghöfe beobachteten Brandspuren lassen sich mög-
licherweise auf die gleiche Brandkatastrophe zurück-
führen, die auch die ersten Anlagen von Unterkirch-
berg und Rißtissen zerstörte. Auf die historischen

Möglichkeiten einer Zerstörung zwischen der claudi-
schen und vespasianischen Zeit werden wir im letz-
ten Kapitel zu sprechen kommen.
Abschließend seien einige Bemerkungen zur Größe
und Orientierung unserer Kastelle angeführt. Von
der Größe eines Lagers kann man im allgemeinen
auf die Stärke der Truppe schließen. Die Nordsüd-
ausdehnung des Kastells Burghöfe, gemessen an den
Innenkanten des Innengrabens, beträgt 150 m. Da
die Lage des Ostgrabens noch nicht bekannt ist, kann
die Ausdehnung in dieser Richtung nicht mit Sicher-
heit bestimmt werden6. Es ist jedoch wahrscheinlich,
daß die Hauptachse des Kastells — gegeben durch die
Richtung der in das Lager führenden Via Claudia —
von Süd nach Nord ausgerichtet war. Bei dieser Ar-
beitshypothese dürfte der Ostgraben etwa ebensoweit
von der Mittelachse entfernt sein wie der Westgraben.
Damit bekäme das Kastell eine annähernd quadra-
tische Form von etwa 150X150 m Seitenlänge. Die
claudische Anlage von Rißtissen besaß 1,67 ha In-
nenfläche, während die vespasianische Anlage mit
1,9 ha etwas geräumiger war. In Hofheim betrug der
von dem älteren Lager einschließlich seiner Befesti-
gungen eingenommene Raum 2,64 ha. Der Flächen-
inhalt gesicherter Kohortenkastelle des l.und 2. Jahr-
hunderts im obergermanisch-rätischen Limesgebiet
liegt ebenfalls etwa bei 2 ha, so daß wir berechtigt
sind, auch in unseren Erdkastellen Truppeneinheiten
in Stärke von cohortes quingenariae anzunehmen.
Darüberhinaus weisen gerade in Rißtissen und Ais-
lingen sehr zahlreich gefundenen Pferdegeschirrteile
darauf hin, daß man hier mit einem größeren Kon-
tingent von Reiterei rechnen muß. Schon E.Ritter-
ling hat als Besatzung von Aislingen eine Reiterala
vermutet7.

Eine auffallende Ähnlichkeit mit diesen Verhältnissen
liegt auch in Hofheim vor, wo die unter Caligula angelegte
Befestigung einen Doppelgraben besaß, während das unter
Vespasian wiedererrichtete Kastell nur von einem einfachen
Spitzgraben umgeben wurde.
6 Bei dem dunklen Streifen östl. des Kastells auf dem Luft-
bild (Taf. B) handelt es sich um einen mittelalterlichen Hals-
graben.
Hofheim 165 Anm. 199; Festschr. R. Egger 1, 1952, 426.

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