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Vielleicht stammen beide Kelche sogar von ein und
demselben Meister, wenn auch das Romulus-Remus-
Motiv auf dem Neußer Gefäß in Einzelheiten von
unserem Stück abweicht. Knorr ergänzte das Tier
unter der Perllinie zu einem kauernden Löwen, wie
er auf Gefäßen der frühen Töpfer Cadmus und
Stabilio erscheint4. Auch der Eier stab weist in den
Umkreis dieser frühen südgallischen Töpfer. Eine
Datierung in die Zeit des Tiberius—Claudius ist da-
mit gesichert.
Die Reliefschüssel Drag. 29. Die Gefäße
tiberischer Zeit lassen sich in Tonbehandlung, Form
und Dekor von den späteren klar unterscheiden5.
Der Ton ist bei den älteren Schüsseln hellrot bis
orangenfarben und zeigt weichen, oft mehligen Brand.
Der Überzug ist mattglänzend rot- oder lederbraun.
Die Schüssel ist nicht sehr tief, die Wand nahezu
senkrecht mit weichem Übergang zwischen Wand
und Bodenteil, wobei beide Teile von einem kräftig
ausgebildeten, gestrichelten Wulst getrennt werden.
In der oberen Wandzone erscheint häufig eine
kleine Bogenranke mit Doppelblättchen und unver-
bundenen Streuornamenten, ferner der »liegende
Doppelwedel« u. a. Die untere Zone bevorzugt Vo-
lutenreihen, radiales Stabwerk, große Wellenranken,
stehende und hängende Bögen.
Von den hier näher zu untersuchenden Kastellen
hat nur Aislingen eine größere Anzahl Scherben frü-
her Schüsseln geliefert (Knorr, Aislingen Taf. 1, 1—4.
6; 2, 4; 3, 4-7. 11. 13. 16; 4, 7. 9; Textbild 1 A. B;
Knorr 1952 Taf. 54 B). Zwar erinnern Scherben wie
Taf. 34, 1. 8. 14 aus Burghöfe oder Knorr, Unter-
kirchberg Abb. 1, 1 aus dem Illerkastell noch an
Tiberisches, gehören aber stilistisch zweifellos schon
in claudische Zeit. Das früheste Gefäß aus Unter-
kirchberg (Knorr, Unterkirchberg Abb. 1, 4) mit
gestricheltem Zonenteiler datierte Knorr in die Zeit
des Caligula oder des Claudius. Rißtissen hat bis
jetzt ebenfalls nur claudische Reliefware erbracht
(vgl. Taf. 54, 1. 10)5a. Im Ganzen gesehen wird man
aber auch die oben genannten Aislinger Scherben
nicht mit den frühesten südgallischen Reliefgefäßen
Drag. 29 gleichsetzen können6. Ihr Dekor gehört
zweifellos schon zum voll entwickelten »edlen« Stil.
Reich vertreten sind dann die Gefäße der claudisch-
neronischen Zeit, die den Hauptanteil der Relief-
ware in allen Lagern ausmachen. Zu den späten ves-
pasianisch-domitianischen Schüsseln Drag. 29 zählen
Taf. 37, 2. 16; 38, 2; 54, 19. 20 u. a.
Hier sind es vor allem die Erzeugnisse des Töpfers
Germanns, der eine letzte Blüte der 29-er Schüssel
heraufführte. Es stimmt nun mit anderen Beobach-
tungen gut überein, daß nur in Aislingen Spätformen

von Drag. 29 und insbesondere Germanus-Schüsseln
fast ganz fehlen, was man nicht annehmen könnte,
wenn das Lager in flavisdier Zeit noch voll besetzt
gewesen wäre.
An Stempeln auf Drag. 29 sind zu nennen für Ais-
lingen: Albus, Aquitanus, Baibus, Bassus, Bassus et
Coelus, Celadus, Crestus, Gallicanus, Iucundus,
Labio, Matugenus, Passenus, C. An. Patr., Senicio
und Seno; für Burghöfe: Albus, Aquitanus, Bassus et
Coelus, Germanns, Meddillus und Passenus (?).
Der zylindrische Becher Drag. 30 ist
im Gegensatz zu der Form Drag. 29 in den seltensten
Fällen signiert. Innenstempel kommen überhaupt
nicht vor, nur vereinzelt erscheinen Töpfernamen
auf der Außenseite im Relief wie bei dem Bruchstück
Taf. 38, 20 aus Burghöfe aus der Werkstatt des Ger-
manns. Eine Zuweisung zu einzelnen Töpfereien
wird dadurch sehr erschwert. Das in mehreren Bruch-
stücken erhaltene Gefäß aus Rißtissen (Knorr, Riß-
tissen Taf. 2, 1) hat Knorr mit Recht dem Töpfer
Masclus zugewiesen. Die frühesten Beispiele aus un-
seren Kastellen (Taf. 38, 1—6; 54, 4. 5. 9; Knorr,
Aislingen Taf. 11, 1. 8. 9. 12. 14; Knorr, Rißtissen
Taf. 2, 1; Knorr, Unterkirchberg Abb. 3, 1. 3) ge-
hören in die claudische Zeit.
Die Reliefschüssel Drag. 37 wurde in
spätneronischer Zeit in südgallischen Töpfereien aus-
gebildet7. In flavischer Zeit verdrängte sie allmählich
die ältere Schüssel Drag. 29, um dann im 2. und 3.
Jahrhundert n. Chr. eine der beliebtesten Gefäß-
formen zu werden. Das Mengenverhältnis zwischen
Drag. 29 und Drag. 37 kann daher als chronologisches
Indiz gewertet werden8, etwa bei Aislingen, wo Drag.
37 mit nur ca. 10 Bruchstücken (Knorr, Aislingen
Taf. 12, 3—7) gegenüber der Masse von Drag. 29
kaum ins Gewicht fällt. Das Kastell kann nach diesem
Befund in flavischer Zeit kaum mehr voll belegt ge-
wesen sein. In Burghöfe (Taf. 37, 18—20; 39, 1—14;
40,1. 3—5, 7—9) und Rißtissen (Taf. 54, 22; 55,1—3.
5. 6. 9. 11. 14—16) dagegen ist Drag. 37 gut ver-
4 Oswald, Figure-Types 1370; Knorr 1952 Taf. 13 J. Ja;
60 F.
5 Oswald-Pryce, Introduction 66 ff.; Oxe, Frühgall. Relief-
gef. 3 ff.
5a Im Kastell Hüfingen liegen frühe, tiberisch-claudische
Fragmente vor: Revellio, Hüfingen Taf. 14, 1; Knorr 1952
Taf. 55 A. Aus Emerkingen stammt ein vereinzeltes Bruch-
stück einer frühen Schüssel Drag. 29, Knorr 1919 Taf. 71 links
oben.
6 Wie sie z. B. aus Bregenz vorliegen: Knorr 1919 Taf. 1 A.
B; 4 Q-U; Germania 21, 1937, 240 ff.; 22, 1938, 14 ff. (Knorr).
’ Oswald-Pryce, Introduction 95 ff.; Ettlinger, Augst 55 ff.
8 In dem Geschirrdepot aus Pompeji (Journ. of Rom.
Stud. 4, 1914, 17 ff.), das kurz vor dem Ausbruch des Vesuv
(79 n. Chr.) die Stadt erreichte, sind schon mehr Schüsseln
Drag. 37 (54 Stüde) als Drag. 29 (36 Stück) vorhanden.

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